Band III

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Kunst und Kultur:
Musik

Ob der Jovianer Musik überhaupt kennt, ob er welche hört – und damit auch macht (denn wer sonst sollte sie machen?) –, wissen wir nicht. Allzu gern würden wir natürlich die jovianische Musik mit der menschlichen, die bei uns ja als hohes Kulturgut erachtet wird, vergleichen, den Stellenwert der Rhythmik, die Bedeutung der Harmonien, die Art der Melodieführung beleuchten und dergleichen mehr.
Allein, es soll nicht sein. Bisher zumindest.

Alles ist möglich. Dass die Jovianer nie über Hupe und Rollpauke[1] hinausgekommen sind ebenso wie, dass sie von alters her aufs Lieblichste musizieren und wir nur deshalb nie davon erfahren haben, weil es für sie etwas ganz Selbstverständliches ist, das keiner Erwähnung bedarf. Oder aber etwas, was man uns gar nicht zu erklären versuchen braucht, da wir es sowieso nicht verstehen würden.

In der Tat liegt die Hauptschwierigkeit darin, dass es uns Jovisophen[2] bislang nicht gelungen ist, unseren Gewährsleuten in Jupolis verständlich zu machen, was wir unter Musik überhaupt verstehen. Denn was ist Musik eigentlich? Sicher, das Aneinander- und Übereinanderreihen (??) von Tönen (??) bei gleichzeitiger Ordnung und Gliederung (??) zu einem Ganzen (??) in „ästhetisch befriedigender Form (????). Aber das klingt nicht. Das beschreibt nicht Musik, so wie wir uns daran ergötzen. Und womöglich ergeht es den Jovianern umgekehrt genauso, Sie versuchen mühsam, auf andere Art eine Beschreibung zusammenzuschustern, können sich aber darauf verlassen, dass wir uns dies und das darunter vorstellen, nur eines nicht: Musik.

Die Abwesenheit jeglicher Kenntnis über die Existenz und Beschaffenheit (oder eben Nichtexistenz) jovianischer Musik ist für uns besonders schmerzlich, weil unter uns irdischen Jovisophen – warum auch immer – auffallend viele Musiker und Musikliebhaber zu finden sind. Und diese tun sich natürlich schwer mit der Vorstellung, dass es unter Jovianern vielleicht überhaupt keine Musik geben oder sie sich auf ein bisschen Lärmerzeugung beschränken könnte (und am Ende gar längst wieder aufgegeben wurde). An diesem Thema wird noch gründlich zu arbeiten sein. Bereits gebildete Experimentier- und Verständigungsgruppen werden sich damit befassen.
Bleibt zu hoffen, dass dieses Eingeständnis in eine klaffende Wissenslücke die Glaubwürdigkeit der Enzyklopentalogie eher untermauert und dass wir in einer der Folgeauflagen mit ganz anderen Erklärungen aufwarten können als einer ahnungs- und trostlosen wie dieser hier. Noch allerdings ist es nicht soweit.

Was wir allerdings bereits wissen, ist, dass es etwas wie Gesang bei den Jovianern schon immer gab. Wenn Jovianer ins Schwärmen kommen, geraten sie in eine Art Sprechgesang. Zum Beispiel wenn jemand eine Geschichte aus seinem Dramengedächtnis erzählt, kommt irgendwann der feierliche Punkt, an dem er (der männliche Jovi) unterschiedliche höhere „Töne“ anschlägt und sie (die Jovianerin) tiefere.
Nicht anders wird es beim „Minnesang“ in den Rollerromanen sein, ob nun mit instrumentaler Begleitung oder ohne.

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[1] ^ Im Neuen Zentrum[3] gibt es ein Haus, das „Klangkessel“ genannt wird, und es gilt als halbwegs gesichert, dass dort in der Allzeit[4] mit Klängen experimentiert wurde, aber wir wissen nicht, mit welchen und mit wie viel Erfolg. Eine Beschreibung des Klangkessels gibt es im Artikel Das Neue Zentrum im Kapitel Erdphantasien der Allzeit in Band V. Dort wird auch auf Hupe und Rollpauke eingegangen und die Vermutung aufgestellt, dass zumindest damit schon einmal Musik gemacht wurde.

[2] ^ Jovisophen sind die Menschen, die sich eingehend mit der Jovisophie[5] befassen.

[3] „Neues Zentrum“: Stadtteil am nordöst/GWlichen[6] Rand von Jupolis mit architektonisch außergewöhnlichen Häusern, errichtet im Übergang von der Erdphantasien- zur Kulturausübungs-Etappe der Allzeit[4].
Näheres s. (zur Entstehung:) Die Entstehung des Neuen Zentrums in Artikel Allzeit in Band IV, bzw. (Beschreibung der Häuser:) Artikel Das Neue Zentrum in Kapitel Erdphantasien der Allzeit in Band V.

[4] Die Allzeit war eine aus drei ineinandergreifenden Teil-Triebphasen[7] bestehende Epoche, in der sich die Jovianer mit dem Weltall, Erdphantasien und kulturellen Experimenten befassten. Näheres s. Artikel Allzeit in Band IV.

[5] Die Jovisophie ist die ehrwürdige Lehre von der jovianischen Zivilisation. Die Jovisophische Gesellschaft[8] (JoSoGes) vertritt diese Lehre, die sich bewusst nicht „Wissenschaft“ nennt, auf der Erde.

[6] GWlich = gegenwestlich (s. Artikel Die sechs Himmelsrichtungen hier in Band III).

[7] Trieb- und Knirschphasen: Die kollektiven Stimmungsschwankungen der Jovianer.
Näheres s. Artikel Trieb- und Knirschphasen in Band II.

[8] Die Jovisophische Gesellschaft (JoSoGes) ist die Gemeinschaft der Menschen, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Menschheit, also die Erdbewohner, über die Existenz der Jovianer, also der Jupiterbewohner, aufzuklären.
Diese Enzyklopentalogie z. B. ist eine Publikation der Jovisophischen Gesellschaft.