Band III

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Wissenschaft
Von etwas wie das, was bei uns „Wissenschaft“ heißt, haben sich die Jovianer – bisher jedenfalls – nie vereinnahmen lassen. Instinktiv spüren sie wohl, auf welch schlüpfriges Terrain sie sich damit begeben würden.
Wenn sich Wissenschaft verselbständigt oder Interessengruppen andient (oder von solchen unterwandert oder gar unterworfen wird), ist es mit dem, was sie zu bieten vorgibt, weitgehend vorbei. Und das Volk, das sich daran gewöhnt hat, ihr zu vertrauen, wird nur noch mit Glaubenssätzen abgespeist, um nicht zu sagen: überfüttert. Was immer noch „Wissen“ heißt, ist dann nur noch das, was uns bestimmte Gruppen glauben machen wollen. Wir erleben dies auf der Erde doch fast täglich: Alle Erkenntnisse, die uns die Jovianer etwas näherbringen könnten, werden uns von fragwürdigen Allianzen mit wissenschaftlichem Hintergrund beharrlich vorenthalten. Als „wahr“, als „wissenschaftlich erwiesen“ gilt, was diese Kreise sagen, nämlich dass es keine Jovianer gibt. Punktum. Deren Existenz – über die sie zweifellos längst bestens informiert sind – werden sie frühestens eingestehen, nachdem sie die Herstellung des Jomits[1], die Erzeugung von Funkstrom[2] und die treibstofflose Fliegerei[3] ausgespäht und zu eigenen Zwecken ausgeschlachtet haben. Und wahrscheinlich nicht einmal dann.

Sich eine Kaste von „Durchblickern“ heranzubilden und sich von diesen belehren zu lassen, entspricht ganz und gar nicht der Natur der Jovianer. Deshalb winken sie meist ab, sollte sich zwischendurch mal jemand mit „Wissen“ hervortun wollen. Sie ahnen: Wenn sie sich darauf einlassen, werden solche „Wissenden“ schon bald das Sagen haben, ob sie nun recht haben oder nicht. Und nicht fern der Tag, an dem sie dann munter drauflos phantasieren können und keinen Widerspruch mehr dulden, da alle anderen ja nur „Unwissende“ sind.

Hinzu kommt natürlich die geringer ausgeprägte Neugier der Jovianer. Oder sagen wir so: die etwas anders ausgeprägte, mehr am augenblicklichen praktischen Nutzen orientierte Neugier. Diese trägt allein schon genug zum zivilisatorischen Fortschritt bei (ob dieser nun beabsichtigt ist oder nicht, ist dabei unerheblich). Für ein „Hinterfragen“ aller möglichen und unmöglichen Dinge fehlt somit jegliches Erfordernis. So wie auch der Schimpanse, der schnell entdeckt, dass ihm ein herumliegendes Stöckchen als Werkzeug dienen kann, um an eine sonst schwer erreichbare Süßigkeit zu gelangen, dazu ja keineswegs über die Urknalltheorie nachdenken muss. Zumal diese ihn in keinster Weise bei seinem Ansinnen unterstützen würde.

Nun wollen wir die Jovianer natürlich nicht mit Schimpansen vergleichen. Nichts gegen Schimpansen! Aber die Jovis haben es allein schon rein technisch dann doch schon um einiges weitergebracht als zum Stöckchenwerkzeug. Außerdem mögen sie gar keine Süßigkeiten.
Der Vergleich diente lediglich dazu, aufzuzeigen, wie der Jovianer die Dinge angeht. Dass alle seine (hauptsächlich technischen) Errungenschaften nicht ergrübelt, nicht ersonnen sind. Sie basieren vielmehr auf mehr oder weniger zufälliger Entdeckung, gepaart mit der besonders ausgeprägten Begabung des Jovianers, die Dinge praktisch anzuwenden. Forschung ohne akute Notwendigkeit wird nicht betrieben. Aber was schon mal da ist, wird aufgegriffen und auch weiterentwickelt – oder richtiger: Die Weiterentwicklung drängt sich bei nächster Gelegenheit, wiederum mehr oder weniger zufällig, selber auf.
Es ist wohl nicht etwa seine ausgesprochene Denkabneigung (wie man ja ebenfalls annehmen könnte) und auch nicht allein seine Skepsis gegenüber einer „Wissenschaft“ als solcher, was den Jovianer daran hindert, „den Dingen auf den Grund zu gehen“. Sondern, umgekehrt, ein viel profunderes Begreifen, als es uns vergönnt ist. Also in diesem Fall weniger das Nichtnachdenkenwollen, sondern ein Nichtnachdenkenmüssen.

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[1] ^ Jomit (ursprüngl.: Iomit) ist der Universalwerkstoff der Jovianer, aus dem so gut wie alles hergestellt werden kann.
Mehr dazu in Artikel Industrie in Band I.

[2] ^ Die Energieversorgung der Jovianer erfolgt über Kraftwellen, ist also Funkstrom.
Näheres s. Artikel Energieversorgung in Band I.

[3] ^ Jovianische Fluggeräte verbrauchen keinen Treibstoff, sondern fliegen mithilfe der Eigenschaften des Luminats (s. Seite Luminat im Artikel Energieversorgung in Band I)