Jupolis

Und so wurde der Turm im Grunde nichts anderes als ein besonders großes Haus. Nicht hoch genug, um alle Berge zu überragen, gestalterisch nichts sonderlich Außergewöhnliches, nicht einmal in einer besonderen Farbe. Grau als die Idealfarbe der Jovianer hätte der Turm werden können, aber offenbar konnte man sich nicht darauf einigen; möglicherweise wollte man dem Industriekomplex farblich keine Konkurrenz machen. Also kam man auf Grün als Kompromiss.
Auch über den Namen des Bauwerks wurde debattiert, und man kann froh sein, dass sich nicht „Großes Haus“ durchgesetzt hat. Am Ende machte der „Grüne Turm“ gegen den „Großen Turm“ das Rennen, denn „Grüner Turm“ klinge dann doch noch etwas besonderer, fand man, und so groß, dass man ihn „Großen Turm“ nennen könne, sei er ja nun auch wieder nicht, außerdem sei er eh der einzige Turm, es gäbe also keine vergleichbaren kleineren (weitere „Türme“ kamen erst viel später hinzu). Der Einwand, dass es auch keine vergleichbaren andersfarbigen gäbe, verhallte letztendlich ungehört.

Der Grüne Turm, fertig    [G]

Und wie immer ebbte die Triebphase nach ihrem Höhepunkt wieder ab, wie es Höhepunkte nun einmal so an sich haben, dass es davor aufwärts und danach abwärts geht. Und da stand er nun, der Turm, der Grüne, und keiner interessiert sich seitdem mehr besonders dafür.
Wenn man heute einen Jupolitaner^[1] danach fragt, was das Wahrzeichen seiner Stadt sei, wird wohl kaum einer den Grünen Turm nennen, freilich auch nicht das Neue Zentrum; vielmehr wird er ratlos dreinblicken – bis ihm der Flugplatz-Tower^[2] einfällt. Nicht etwa wegen dessen historischer Bedeutung, sondern weil man von diesem im Freien stehend herunterblicken kann, vom Grünen Turm, mangels Plattform, jedoch nicht. Weshalb man denn auch, will man die Aussicht über die Stadt von einem festen Punkt aus genießen, eher den Tower aufsucht als den Turm. Woran man auch wieder einmal sieht, dass dem Praktischen gegenüber dem Symbolträchtigen nicht selten der Vorzug gegeben wird.