Band IV

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Romantik:
Großer Legendenbedarf

In der Romantik jedenfalls war ein Großteil des Jovianervolks hauptsächlich damit beschäftigt, Rollerromane zu konsumieren. Also die damit besprochenen Sporen zu schlucken und zu verdauen. Und eine ganze, man möchte fast sagen: Industrie hatte damit zu tun, diese Sporen zu besprechen, aber auch, nicht zuletzt, die Geschichten zu erfinden.
Anders als wir kennt der Jovianer ja kein Verfahren der Vervielfältigung von Vorlagen und keine Schrift[1] mehr; eine Verbreitung durch den (unbekannten) Buchdruck oder gespeicherte Daten war (und ist) folglich nicht möglich. Jede einzelne Spore muss bespochen werden, und obwohl natürlich mehrere gleichzeitig angesprochen werden können, muss es doch insgesamt ein ziemlicher Aufwand gewesen sein, die große Nachfrage an Rollersagen zu befriedigen. Geradezu ein Heer von Besprechern muss damit beschäftigt gewesen sein, und wir dürfen uns vorstellen, dass diese hohes Ansehen[2] genossen.

Sporenbesprecher

Sporenbesprecher unter
Sporeneinfluss    [G]

Über die Autoren, also die Erfinder der Geschichten, ist nichts bekannt. Es gibt da keine bedeutenden Namen. Das mag daher kommen, dass sich der Jovi im Prinzip nichts daraus macht, berühmt zu werden (was keineswegs ausschließt, dass die betreffenden Personen in ihrer Zeit bekannt und geachtet waren), aber auch daher, dass es oft gar keine bestimmten Verfasser gab, sondern dass die Legenden quasi in der Nacherzählung neu entstanden. Vorstellbar wäre zum Beispiel ein Sporenbesprecher, der gerade selber eine Rollerspore eingeworfen hat und das, was er damit gerade „erlebt“, einfach anders, sozusagen verfälscht, an eine Neuauflage von Sporen weitererzählt.
Dass sich die Geschichten ohnehin sehr ähnlich waren, liegt ja auf der Hand, so wie ja auch bei uns kein Krimi ohne mindestens einen Mord auskommt und die schlussendliche Überführung des Täters (nach der obligatorischen Verfolgungsjagd, möglichst noch durch ein explodierendes Automobil gekrönt) von vornherein garantiert ist. Wahrscheinlich waren sich die Rollerromane sogar noch ähnlicher, so dass sich ein noch einfacheres Schema leicht variiert wiederholte, das uns ebenfalls vertraut ist und etwa folgendermaßen abläuft: Argloses Mädchen wird von Bösewicht entführt, Held macht sich auf, sie zu befreien, muss dabei die Gefahren A, B und C überwinden, findet Mädchen, befreit sie, bringt dabei Bösewicht zur Strecke, Ende mit Hochzeit. Nur eben das Ganze auf Jovianisch, also Mädchen kann auch Junge sein, dafür aber Bösewicht auch Bösewichtin. Wegen der traditionell hervorragenden Mofapilotinnen, wie gesagt. Und „zur Strecke gebracht“ wird der Unhold allein durch Entlarvung und Verlust seines Ansehens (Fußschuheinzug[3] gab es damals noch nicht).

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[1] ^ Die jovianische Schrift ist ausgestorben (s. Artikel Sprache, Schrift und Sporen in Band III). Zwar kann der Jovianer nach wie vor schreiben, aber kein anderer kann es lesen, und meistens bald auch er selbst nicht mehr. Einzige Ausnahme: die Familienschrift[4].

[2] ^ Das Ansehen (die Wertschätzung) ist das „Kapital“ des Jovianers, der ja kein Geld kennt. Näheres s. Artikel Das Ansehen in Band III.

[3] ^ Jovianische Art der Ahndung von Verbrechen; s. Seite Fußschuheinzug in Artikel Gesellschaftsordnung in Band III.

[4] Die „Familienschrift“ ist die Schreibschrift der Nachkommen von Kapitän Alp[5] und die einzige bekannte Schrift, die noch von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Näheres s. Seite Die Familienschrift hier in Band IV.

[5] Alp von Altburg, genannt Kapitän Alp: Leiter der Umsiedlung der Jovianer von der Io auf den Jupiter (s. Artikel Der Große Umzug in Band IV)