Band IV

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Stadtchefzeit:
Der berühmte Spruch

Rosmar war ein mutiger junger Mann gewesen, keine Frage. Sonst hätte er sich nicht Kapitän Alp zur Erkundung des Zentralplaneten[1] angeschlossen. Aber ihm zu eigen war auch eine – unter Jovianern im Gegensatz zu uns äußerst seltene – Portion Größenwahn. Oder Herrschsucht. Oder beides, oder eine Kombination daraus.

Es gibt da einen bekannten Spruch, der lautet: „Ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer für die Zukunft der Iovianer“. Den soll die Person ausgesprochen haben, die den Boden einer der Inseln des Jupolis-Archipel[2] zum ersten Mal betrat. Nur – wer war es?

Es ist anzunehmen, dass es niemand anders war als Kapitän Alp. Ihm allein hätte es zugestanden.

Sicher, es war tatsächlich nur ein kleiner Schritt, denn einen Moment zuvor muss ja der gesamte Zug mit allen sechs Pilotinnen und Piloten auf der Insel gelandet sein. Mag auch sein, dass alle ungefähr gleichzeitig von ihren zusammengeschluzten[3] Mofas[4] gehüpft sind und gleich selber nicht mehr wussten, wessen Fuß nun der erste war, der den Grund berührt hatte. Aber der doch etwas pathetische Spruch klingt sehr nach jemandem, der halbjupseitigen[5] Gefilden entstammt, also jemanden wie Alp von Altburg, und nicht nach einem von Schmauchenfels, das auf der Gegenjupseite[6] der Io lag.
Rosmar aber behauptete, dieser Ausspruch sei von ihm, und legte damit nahe, dass er derjenige war, der erstmals Jupiterboden betreten hatte.

Im Übrigen muss er ein gutaussehender Kerl gewesen sein und wahrscheinlich ein hochbegabter Redner, oder anders gesagt: einer mit besonders großer Klappe. Das zieht auch bei Jovianern, nicht nur bei uns. Vielleicht hatte er sogar das, was man „Charisma“ nennt, also diese Eigenschaft, die jemanden außergewöhnlich scheinen lässt, obwohl man gar nicht weiß, warum.
Wie auch immer – Rosmar schaffte es, bereits in der Zeit des Großen Umzugs[7] zur Berühmtheit zu werden. Von den sechs Pionieren, die die Bewohnbarkeit des Jupiters nachgewiesen hatten, sprach man fast ausschließlich von ihm, und er sprach gern von sich selbst. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass er der große Macher war, dass er den Jupiter als neuen Lebensraum entdeckt und auch noch den Großen Umzug organisiert hätte. Über wen man also zunehmend sprach, war nicht Kapitän Alp, war nicht Frau Hartkern[8], sondern war Rosmar von Schmauchenfels. Die Alten zollten ihm Respekt, die Jungen ahmten ihn nach, und die Mädchen lagen ihm zu Füßen. Und das, obwohl er gelbe Fußschuhe trug, was jedem anderen als Prahlerei angelastet worden wäre. Zudem hatte er sich mittlerweile ein Käppchen zugelegt – schließlich trug ja auch Kapitän Alp eine Mütze!

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[1] ^ Gemeint ist der Jupiter.

[2] ^ Die Inselgruppe, innerhalb der sich heute die Stadt Jupolis befindet. Der Jupolis-Archipel ist das Thema von Band I.

[3] ^ (ver-, zusammen-) schluzen: verschweißen, kleben, entweder mit Schluz und Paraschluz oder mit Ätzschluz (s. Seite Schluz, Paraschluz, Ätzschluz und Trennpaste in Artikel Industrie in Band I).

[4] ^ Mofa: Das geflügelte Privat-Fluggerät der Jovianer zum Aufsitzen (s. Seite Das Mofa in Artikel Fliegzeug in Band III).

[5] ^ Halbjupseite wurde auf der Io der Gürtel zwischen der stets dem Jupiter zugewandten und der ihm stets abgewandten Seite genannt, wo man den Planeten am Horizont sieht (s. Seite Die verschiedenen Io-Seiten in Artikel Io-Zeit hier in Band IV). Die Bewohner dieser Gegend sollen etwas „geschwollen“ geredet haben.

[6] ^ Gegenjupseite: Die Seite der Io, die dauerhaft vom Jupiter abgewandt ist; s. Seite Die verschiedenen Io-Seiten in Artikel Io-Zeit hier in Band IV.

Die Bewohner dieser Gegend galten im Allgemeinen als eher zurückhaltend, was freilich auf Rosmar ganz und gar nicht zutraf.

[7] ^ Als „Großer Umzug“ wird die Umsiedlung der Jovianer von der Io auf den Jupiter bezeichnet. Näheres s. Artikel Der Große Umzug hier in Band IV.

[8] ^ Frau Hartkern war die Dame, die die Bewohnbarkeit des Jupiters geweissagt hatte. Näheres s. Seite Frau Hartkerns Prophezeiung in Artikel Der Große Umzug hier in Band IV.