Band II

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JOVIANER: Seele und Verstand:
Gedächtnisformen

Wir Menschen verfügen nach derzeitigem Wissensstand über dreierlei Gedächtnisse: das Sensorische (oder Ultrakurz-) Gedächtnis, das Kurzzeit- und das Langzeitgedächtnis. Beim Jovianer unterscheiden wir dagegen zwischen viererlei: Das Wandelgedächtnis, das Prosaische Gedächtnis (meist „Normalgedächtnis“ genannt), das Personengedächtnis und das Dramengedächtnis.

Sein Normalgedächtnis ist wohl in etwa mit unserem Gedächtnis vergleichbar, wenn man nicht zu sehr zwischen dem kurz- und dem langzeitigen unterscheidet. Manches darin wird relativ früh wieder vergessen, wenn es nicht immer wieder aufgefrischt wird, anderes bleibt erhalten, auch wenn es schon Jahrzehnte zurückliegt. Und es gibt natürlich individuelle Unterschiede.

Was beim Jovianer als Kurzzeitgedächtnis bezeichnet werden könnte, ist sein Wandelgedächtnis. Dieses ist verblüffend leistungsfähig und flexibel, auch wenn es die Informationen nicht lange bereithält, die es aber im Eiltempo verarbeitet. Man nimmt an, dass es die Leistungsfähigkeit seines Wandelgedächtnisses ist, was dem Jovianer ermöglicht, vielschichtige optische und akustische Reize zu ordnen und kurzfristig wieder abrufbar zu machen. Der Jovi hört und sieht ja mit seinen beiden Ohren und Augen jeweils verschieden[1], und seine Sprache ermöglicht es ihm, mehrere Silben gleichzeitig wiederzugeben, die dann vermutlich im Wandelgedächtnis aufgedröselt und zusammengesetzt werden. Faszinierend für uns ist nicht zuletzt die erstaunliche kurzzeitige Auffassungs- und Kombinationsgabe des Jovianers, sein Talent für die Erkennung und sofortige praktische Umsetzung von (v. a. technischen) Möglichkeiten, die er aller Wahrscheinlichkeit nach dem Wandelgedächtnis zu verdanken hat. Auch seine Fähigkeit, beim Ohnsinnplappern[2] mühelos die Wörter sinnloser Sätze anders zusammenzufügen, dürfte hierin begründet liegen. Zur Weiterverfolgung von längeren Denkprozessen ist es allerdings nicht geeignet.

Nicht weniger beeindruckend: das jovianische Dramengedächtnis. Es ist immerwährend, hat aber den entscheidenden Nachteil, dass man nicht, oder nur sehr begrenzt, willkürlich darauf zugreifen kann. Das Dramengedächtnis entscheidet praktisch eigenständig, was es aufnimmt und wann es die Erinnerung daran freigibt.
Aufgenommen und lebenslang gespeichert werden hier ausschließlich Ereignisse und Empfindungen, die mit einem gewissen Spannungsfaktor angereichert sind. Also eine gewisse Dramatik in sich tragen, daher der Name. Ins Dramengedächtnis gelangt demnach, vereinfacht gesagt, was die Jovianerseele ausreichend berührt hat.

Ausschüttung

Eine Dramengedächtnis-
ausschüttung    [G]

Und wieder herausgegeben wird es, wie angedeutet, nicht auf Abruf, sondern überfallartig, unerwartet. Oftmals sieht man einen Jovianer einfach nur dastehen. So, als hätte er die Orientierung verloren. Oder vergessen, wo er eigentlich hin wollte. Oder wer er ist. Das sind die Momente, in denen das Dramengedächtnis spannende Erinnerungen ausschüttet. Und es wird vermutet – ist aber keineswegs sicher –, dass die Ohnmachtsanfälle[3], die viele Jovianer immer wieder mal ereilen, nichts anderes sind als besonders heftige Ausschüttungen des Dramengedächtnisses, die das Bewusstsein überspülen.

Dieses Dramengedächtnis ist es wahrscheinlich auch, was den Raum mit beansprucht, der vom jovianischen Personengedächtnis (aus unserer Sicht) dringend gebraucht würde. Dieses nämlich ist von einer geradezu unglaublichen Kümmerlichkeit.
Jovianer bringen es fertig, einander vollständig zu vergessen, wenn sie sich lange genug nicht gesehen haben. So weit gehend, dass sie sich, sollten sie sich später wieder begegnen, ganz neu kennenlernen.

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[1] ^ s. Seite Asymmetrische Sinneswahrnehmung in Artikel Körper hier in Band II.

[2] ^ Zum Ohnsinnplappern s. Seite Dichtung in Artikel Kunst und Kultur in Band III.

[3] ^ Viele Jovianer neigen zu Ohnmachtsanfällen.
Näheres s. Seite Ohnmachtsanfälligkeit in Artikel Körper hier in Band II.