Band II

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ANDERE LEBEWESEN
Es ist ein Segen, dass die Iovianer[1] den Umgang mit dem Viech[2] schon gewohnt waren, als sie sich zum Umzug auf den Zentralplaneten[3] entschlossen. Unabhängig davon, ob damals auch der Dudel[4] bereits zum Alltagsbild gehörte und im einen oder anderen Jovianerhaus schon heimisch war. Denn so wussten sie wenigstens, dass es andere Lebewesen gab, und der Schock war nicht gar so groß, als sie auf dem Jupiter erstmals auf die Bovianer[5] trafen.
Was heißt „trafen“ – wirklich aufeinandergetroffen sind diese beiden „Kulturen“ ja nie, und die Jovianer wissen bis heute, also seit über 500 Jupjahren, immer noch nicht, ob die Bovianer ihnen wirklich unfreundlich gesonnen sind. Das Wort „feindlich“ in unserem Sinn kann hier nicht ohne Weiteres benutzt werden, denn ein wirklich feindseliges Geschöpf, wie es etwa der Mensch dem Menschen ist, ist für den Jovianer nur in schwachen Ansätzen denkbar.

Immerhin also wusste der Jovi durch die Existenz des Viechs schon von Haus aus, dass er nicht das einzige lebendige Wesen im Weltall ist. Wobei „Weltall“ in diesem Zusammenhang natürlich als das All vor der eigenen Haustür zu verstehen ist, also die „Welt“ ist hier diejenige der Jovianer, nicht unsere.

Eine Artenvielfalt, wie wir sie auf der Erde haben, wäre für den Jovi allerdings vollkommen unvorstellbar und eine immense Überforderung. Ebenso würde er das hiesige Prinzip „fressen oder gefressen werden“ nie und nimmer verstehen.
Es bedarf einer hochkomplexen Anpassungsfähigkeit, um auf der Erde über die Runden zu kommen und dabei nicht verrückt zu werden, und darauf können wir Menschen uns durchaus etwas einbilden, soweit es uns gelungen ist. Ein Jovianer wäre bei uns aber auf jeden Fall schlecht aufgehoben: zu naiv!
Ein Jovi würde bei uns wahrscheinlich alsbald von einer nimmersatten Spezies aufgefressen, die seine robuste Hülle geradezu als Herausforderung annehmen würde. Man denke zum Beispiel an ein Krokodil oder einen Eisbären, je nach Landungsort. Denn das Tierreich kümmert sich bekanntlich wenig um die Intelligenz seiner Nahrung. Aber auch wir Menschen würden ihm wohl unfreundlich entgegentreten und ihm nichts anderes als Eroberungsgelüste unterstellen. Wir sind es ja gewohnt, in jedem, der nachbarschaftlichen Boden betritt, einen Eindringling zu sehen, einen, der danach trachtet, uns zu unterwerfen oder uns zumindest auf der Nase herumzutanzen, und so würden wir auch in einem treudoof staunend daherkommenden Jovianer nichts anderes vermuten als einen, der sich harmlos stellt, in Wirklichkeit aber ganz, ganz üble, sicherlich blutrünstige Gedanken hegt.
So kann der Jovianer nicht denken. Gönnen wir es ihm.

Es ist also doch mehr oder weniger die reine Idylle, in der der Jovi lebt, ein – wiewohl phasengeschütteltes – Paradies jenseits von Erden. Inzwischen wieder. Denn das Entkommen aus dem Io-Inferno[6] war sicherlich kein Sonntagsspaziergang. Dem ging die Hölle voraus.
Aber wenigstens muss er sich nicht einem Kampf ums Überleben gegen andere Lebensformen stellen. Gut, müssen wir auch nicht (bedauerlicherweise unter Ausnahme von Artgenossen, wie schon angedeutet), aber das war beileibe nicht immer so!

Wir zählen zusammen: Der Jovianer kennt Jovianer, Viecher, Dudel, Bovianer und vielleicht noch das Himmelstier[7], falls es ein solches gibt – und damit hat es sich auch schon. Er kennt keine Vögel, keine Fische, keine Schlangen, keine Raubtiere, keine Stechmücken. Auch das sei ihm vergönnt. Allein schon deshalb, weil er damit der Zwickmühle entkommt, ob er fressfeindlichen Geschöpfen in aller Ruhe beim Aussterben zugucken darf oder ob er sie auch noch schützen muss. Diese Verantwortung lastet auf ihm nicht. Glücklicher Jovi! Das wiegt den nicht vergönnten Anblick der hübschesten Schmetterlinge auf.

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[1] ^ Iovianer (also mit „I“ statt mit „J“) hießen die Jovianer, als sie noch auf der Io[8] lebten.

[2] ^ Ein „Viech“ (auch „Ioviech“) ist bei den Jovianern nicht irgendein Tier, sondern ein bestimmtes, das so heißt.
Näheres s. Artikel Viecher hier in Band II.

[3] ^ Gemeint ist der Jupiter.

[4] ^ Dudel sind die (einzigen) Haustiere der Jovianer.
Näheres s. Artikel Dudel des Kapitels Andere Lebewesen hier in Band II.

[5] ^ Bovianer: Die fremden „Mitbewohner“ der Jovianer auf dem Jupolis-Archipel[9], ansässig in den Grünen Bergen[10]. Näheres s. Artikel Bovianer in Kapitel Andere Lebewesen hier in Band II.

[6] ^ Gemeint sind Vulkanausbrüche, durch die die Jovianer von der Io[8] vertrieben wurden.
Näheres s. Artikel Io-Zeit in Band IV.

[7] ^ Das „Himmelstier“ ist eine gelegentliche Erscheinung am Himmel über Jupolis.
Näheres s. Artikel Das Himmelstier in Kapitel Andere Lebewesen hier in Band II.

[8] Die Io, oft auch Heimat-, seltener Rumpelmond genannt, ist der innerste der vier größten, sog. Galileischen Monde des Jupiters. Von hier stammen die Jovianer ursprünglich.

[9] Der Jupolis-Archipel ist die Inselgruppe, innerhalb der sich die Stadt Jupolis befindet. Er ist das Thema von Band I.

[10] Grüne Berge: Das Gebirge auf der Grünberginsel[11], Lebensraum der Bovianer[5].
Näheres s. Artikel Grünberginsel in Band I.

[11] Grünberginsel: Die Großinsel im Norden des Jupolis-Archipels[9].
Näheres s. Artikel Grünberginsel in Band I.