Band II

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ANDERE LEBEWESEN: Bovianer:
Das ungeklärte Innenleben der Grünen Berge

Das Unheimlichste an allem ist, dass man nicht weiß, was hinter den Bovianerlöchern steckt.
Zum Beispiel, wie tief ihre Höhlen sind. Und ob sie im Grünbergmassiv miteinander verbunden sind. Also ob die Grünen Berge womöglich regelrecht ausgehöhlt sind. Und darin massenhaft Bovianer hausen, die man draußen noch nie an einem Loch gesichtet hat. Licht scheinen sie ja keines zu brauchen, sonst würden sie sich viel öfter und länger draußen aufhalten.

Es gab einmal eine Frau, die berichtete, all diese Höhlen führten innen zu jeweils einer Tür oder Klappe oder so was, und dahinter erst, tief drin in den Grünen Bergen und bis unter den Grundlikör[1]-Spiegel hinab, befinde sich das „Bovianerreich“, und da sei alles hohl. Drei gewaltige Kuppeln seien dort vorzufinden. Diese seien von ihren Wänden beleuchtet, und unter ihnen breite sich eine dreiteilige Bovianerstadt aus. Mit einer Industrie, die nur alle paar Jahrzehnte in Anspruch genommen werde.
Diese Mär hat so gut wie jeder Jovianer in seinem Dramengedächtnis[2] denn sie wird oft erzählt und ist hübsch schauerlich. Allerdings: Woher hätte diese Frau das wissen sollen? War sie selbst dort unten und hat es mit eigenen Augen gesehen? Sicher nicht, denn sonst wäre ihre Expedition zweifellos ein wichtiger Bestandteil dieser Geschichte. Also hat sie sich das alles nur ausgedacht. Eine Verrückte.
Das mit der Dreiteilung der ersponnenen Bovianerstadt drängt sich ja schon dadurch auf, dass die Grünen Berge unübersehbar aus drei Erhebungen bestehen. Und der unterjupische[3] Aspekt mag daher kommen, dass es auf der Rotberginsel[4] unterjupische Höhlen gibt, von denen man bis heute nicht weiß, wie sie entstanden sein könnten. Und das mit den Türen oder Klappen hat sie sich so zurechtgelegt, weil sich sonst jedermann wundern würde, dass die Bovilöcher nachts nicht leuchten, wenn doch alle zu einer inneren Beleuchtung führten. Und die „Industrie“ sollte wohl die Bekleidung erklären und durch ihre seltene Nutzung das Grünbergwummen begründen.

Wie dem auch sei – aller Wahrscheinlichkeit nach müssen sich die Bovianer von etwas innerhalb der Grünen Berge ernähren. Denn niemals (soweit erinnerlich) wurde einer gesehen, der draußen etwas verzehrte oder sammelte, abkratzte, aufleckte, irgendwas. Möglicherweise fressen sie die Grünen Berge nach und nach von innen auf. Möglicherweise sind diese deshalb tatsächlich inzwischen so ausgehöhlt, dass sie irgendwann in nächster Zeit in sich zusammenstürzen. Und möglicherweise kommen sie dann heraus, die Bovianer, und nehmen alle Errungenschaften der Jovianer für sich in Anspruch. Der Bovianersturm nimmt seinen Lauf, und die Jovianer werden in die Knechtschaft geführt … nein, halt, das ist nun wirklich irdisches Denken, doch wir reden von einer ganz anderen Welt!
Oder aber die Bovianer stützen die Hülle der Grünen Berge längst von innen mit einem Gerüst ab, und vielleicht sind die Berge ja deshalb so zackig, und das Wummen kommt von der Errichtung neuer Stützen.

Bovisturm

Die Horrorvorstellung des „Bovianersturms“    [G]

Was an Gerüchten über die Bovianer kursiert, ist allerdings alles nur Spekulation und gegenseitiges Bangemachen. Es hat ja auch noch nie jemand die Grünen Berge erklettert! In Knirschphasen aus Angst vor den Bovis nicht, in Triebphasen aus dem Grund, weil es kontraproduktiv wäre, sich mit ihnen zu befassen.

So bleiben die Bovianer also ein Geheimnis. Bis irgendwann vielleicht einmal etwas Erhellendes geschieht. Oder etwas Verdunkelndes. Oder sonst irgendwas. Oder auch nichts.

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[1] ^ „Grundlikör“ wird die Grundflüssigkeit inner- und außerhalb des Jupolis-Archipels[5] genannt, also des Offenen Ozeans[6] und des Dunklen Meers[7] einschließlich des Stadtmeers[8].

[2] ^ Das Dramengedächtnis ist der nicht-vergessliche Teil des Jovianer-Hirns. Gespeichert werden aber nur dramaturgisch aufbereitete Ereignisse, Erzählungen usw. Näheres hierzu s. Seite Gedächtnisformen in Artikel Seele und Verstand des Kapitels Jovianer hier in Band II.

[3] ^ „Unterjupisch“ entspricht unserem „unterirdisch“

[4] ^ Rotberginsel: Die Kleininsel im Nordosten/GW[9] des Jupolis-Archipels[5].
Näheres s. Artikel Rotberginsel in Band I.

[5] Der Jupolis-Archipel ist die Inselgruppe im Offenen Ozean[6], innerhalb der sich die Stadt Jupolis befindet. Er ist das Thema von Band I.

[6] Der Offene Ozean ist der die Inseln des Jupolis-Archipels[5] weiträumig umgebende Grundlikör[1].

[7] Das Dunkle Meer ist der gesamte Grundlikör[1] innerhalb der Inseln des Jupolis-Archipels[5]; ein Teil davon wird als Stadtmeer[8] bezeichnet.

[8] Als Stadtmeer wird der Teil des Dunklen Meers[7] bezeichnet, in dem Jupolis liegt (bzw. schwimmt).

[9] GW = Gegenwesten (s. Artikel Die sechs Himmelsrichtungen in Band III).