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ROLLERSAGEN DER ROMANTIK:
Der falsche Würfel
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Bine-Ergreifung

Die Verschwörer stürzen sich auf Bine    [G]

Und die schlichten Gemüter schaukelten sich hoch, und sie ergriffen Bine und sperrten sie tatsächlich ein. Ins Kuppelkämmerchen der Schimpfburg. Und sie legten die Treppe flach, die hinaufführte, so dass nur noch das Loch blieb, durch das ihr Batzen zugeworfen werden konnten. Und Rukuk und seine Frau erklärten der Meute, sie würden die Gefangene nun täglich zu unterschiedlichen Uhrzeiten befragen, wie sich der Jupiter gerade zeige, und erst wenn sie drei Tage hintereinander korrekt geantwortet habe, könne sie von der Leugnerei freigesprochen werden und wieder ihres Weges ziehn.
Solche Befragungen sollten zwar nie stattfinden, aber das wussten die „Festgäste“ noch nicht, so stimmten sie mit dunklem Knirschphasenblick zu und trollten sich durch die vom Planeten erhellte Nacht nach Hause.

Die draußen neben ihren Mofas herumhockenden fahrenden Roller bekamen von alledem nichts mit, auch nicht, dass Bine nicht mehr auftauchte, und wunderten sich nicht darüber, dass Frau von Schimpfburg Bines Mofa in einen Schuppen verfrachtete. Sie waren alle zu sehr mit sich selbst beschäftigt und mit der Trostlosigkeit des Seins.

Fälle von Freiheitsberaubung sind im wirklichen Leben der heutigen Jovianer äußerst selten. Dennoch ist die Vorstellung davon dem Jovi offenbar recht geläufig. Überhaupt scheinen die Jovianer in vielerlei Hinsicht an der Schwelle zu ein paar unschönen gesellschaftlichen Entwicklungen zu stehen, die uns bereits schmerzlich vertraut sind und vor denen wir sie leider nicht warnen können. Und gerade die Rollersagen der Romantik geben Aufschluss darüber, was auch den Jovianern noch so alles an Fehlverhalten blühen könnte, weshalb ihnen in der Jovisophie auch so viel Raum gegeben wird, obwohl es sich nur um erfundene Geschichten handelt.

Gemäß den Zeitangaben in den Sagen müsste sich ein rasender Roller mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von nicht einmal 1,5 km/h durch die Pampa bewegt haben. Bei aller Liebe zur jovianischen „Literatur“ – das ist hochgradig unwahrscheinlich.
Die „zwei Jahre, zwei Monate und zwei mal zwei Tage“, die ein Roller, und zwar einer in Eile!, für den Weg von der Schimpfburg zur Wolkenburg (bzw. umgekehrt) gebraucht haben soll, müssen also dramaturgische Gründe haben. Oder kabbalistische, oder beides.

Die 224 Tage, die sich aus der Angabe ergeben, sind nämlich in der jovianischen Zählweise eine sogenannte „Überschnappzahl“[1].
Sollten mit diesen 224 Tagen Io-Tage gemeint gewesen sein, fielen damit 396 Erdentage an, denn der Io-Tag ist 1,77 Erdentage lang. Der Umfang der Io beträgt weniger als 11.500 km, der halbe also 5750, geteilt durch 396 macht 14,5 – schlappe 14,5 km pro (Erden!-)Tag wäre ein Roller in voller Fahrt damit vorangekommen. Bei 10 Stunden Fahrt pro Tag also keine 1,5 km/h.
Sollten jedoch Jup-Tage gemeint gewesen sein, fielen damit 224 x 2222 Stunden an, d. h. 92,6 Erdentage – schon etwas wahrscheinlicher! Denn 5750 geteilt durch 92,6 sind dann immerhin schon 62 km pro Erdentag, aber bei 10 Erdenstunden Fahrt pro Erdentag auch nur gut 6 km/h.

Es darf vermutet werden, dass jovianische Mofas in Wirklichkeit auch in Knirschphasen schon immer deutlich schneller waren. Möglich, dass die Verwendung einer Überschnappzahl für die Jovianer eine Bedeutung hat, die sich uns nicht erschließt. Möglich auch, dass damit glaubhaft gemacht werden sollte, dass bei solchen Geschwindigkeiten die Flugfähigkeit des Mofas noch nicht entdeckt gewesen sein konnte. Möglich ferner, dass mit diesen Zeitangaben die Io größer erscheinen sollte, als sie in Wirklichkeit ist. Und möglich schließlich, dass damit nur die Mühsal hervorgehoben werden sollte, der sich die Roller zu unterziehen bereit waren.

Jedenfalls heißt es, Bunnt von Wolkenburg habe erst 224 Tage später von der Gefangennahme seiner Tochter erfahren, nämlich als ein völlig erschöpfter Abgesandter Rukuks (ein „grobschlächtiger Kerl“, wie er beschrieben wird) ihn darüber in Kenntnis gesetzt und gleichzeitig eine Forderung überbracht habe:
Bine werde wieder auf freien Fuß gesetzt, wenn er, Bunnt von Wolkenburg, bereit sei, im Gegenzug Rukuk von Schimpfburg seinen Zauberwürfel auszuhändigen.

Kein Wort von Jupiterleugnung oder so.
Gemeine Erpressung und sonst gar nichts.

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[1] ^ Als „Schnappzahlen“ werden in der jovianischen Mathematik Zahlen bezeichnet, die kürzer sind als die vorausgehende, z. B. 3F (=55) nach 3EDC (=54). „Überschnappzahl“ heißt die darauffolgende, noch höhere, bei der jetzt die Vorzahl erhöht ist, z. B. 4F (=56). Näheres s. Seite Kleine Einführung in die jovianische Mathematik in Artikel Zeit- und andere Rechnungen in Band III.