Band V

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ERDPHANTASIEN DER ALLZEIT: Das Neue Zentrum:
Eckenhaus

Eckenhaus

Das Eckenhaus    [G]

Das blaue Eckenhaus war das Haus des Talents der „Grübelung“.
Hier sollte das Nachdenken gefördert werden. Nicht so das (ohnehin den Denklingen[1] eigene) mehr „philosophische“, sondern das mit dem logischen Verstand.
Der Jovianer denkt ja nicht gern nach, aber man betrachtete es als angebracht, dies zum eigenen Vorteil wenigstens ein bisschen zu ändern.
Ob es eine Idee der Strammer[2] war oder der Flammer[3], ist nicht mehr festzustellen, aber es machte einige Zeit die Mär die Runde, dass die Rangunterschiede zwischen den dreierlei Erdvianern nicht von biologischen Eigenheiten herrührten, sondern schlicht ein Resultat des Grübelvermögens seien. Vereinfacht gesagt: Die Obererdvianer konnten nur deshalb in den Wolken schwimmen, weil sie besser nachdenken könnten, und die Untererdvianer mussten nur deshalb in Erdlöchern hausen und konnten nicht in Häusern herumfahren, weil sie schlechter im Grübeln waren als die Mittelerdvianer.
Und die Grübelleistung, glaubte man, sei in der Fähigkeit zu messen, etwas zu lösen, was man „Rätsel“ nannte. Also, die Obererdvis hatten das Rätsel des Wolkenschwimmens gelöst und die Untererdvis das Rätsel des Rollhauses noch nicht. So oder ähnlich. Für uns etwas schwer zu verstehen.

Wie auch immer – den Jovis schien die Fähigkeit, Rätsel zu lösen, eine Weile lang als etwas Wichtiges vorzukommen. Dass sie auch noch ordentlich Spaß daran hatten, ist nicht so sicher. Aber sollte einmal der Tag der Konfrontation mit den Bovianern kommen, glaubten sie, wäre es nicht schlecht, im Rätsellösen die Nase vorn zu haben. Und zum Training dafür diente das Eckenhaus. Es war wahrscheinlich sogar das erste Haus des neuen Zentrums, eben weil es eckig ist und dadurch noch am meisten Bezug zu den irdischen, quaderförmigen Häuser herstellt.

Mit dem Ausdenken von Rätseln klappte es recht gut, eine Menge davon wurden angeliefert und ausgestellt. Bloß, mit dem Lösen dieser Rätsel wollte es nicht so recht funktionieren. Die meisten konnten nur von einem gelöst werden: seinem Erfinder. Und selbst von diesem oft schon bald nicht mehr.

Heute ist das Haus leergeräumt, bis auf die – bewachte – Ausstellung des Dreijovi-Manuskripts[4]. Die Bewachung besteht darin, dass morgens und abends die Jupolizei[5] vorbeikommt und guckt, ob es noch da ist. Alles andere wäre zu aufwendig, denn die Jupolizei hat neben dieser Aufgabe auch sonst noch genug zu tun.
Vor der Leerräumung hatte es einen Kommel-Rundruf gegeben, in dem jeder, der noch Anspruch auf ein Rätsel erhebe, gebeten wurde, dieses abzuholen. Kaum jemand kam. Die Burgdamen[6] sicherten sich ein paar, der Rest wanderte in die Senke[7].

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[1] ^ „Denklinge“ sind Personen, die deutlich weniger als die meisten Jovianer versuchen, gedankliche Anstrengungen zu vermeiden. Näheres s. Seite Denklinge in Kapitel Jovianer in Band II.

[2] ^ Die „Strammer“ waren in der Allzeit Angehörige einer der beiden Grundströmungen der Vorstellungen von den Erdbewohnern (Erdvianern), und zwar diejenigen, die sich (im Gegensatz zu den „Flammern[3]“) das Leben auf der Erde ordentlich durchreguliert vorstellten – und dies später auch weitgehend in Jupolis einführen wollten.
Näheres s. Seite Flammer und Strammer in Artikel Allzeit in Band IV, bzw. Artikel Strammer und Flammer in Kapitel Erdphantasien der Allzeit hier in Band V.

[3] ^ Die „Flammer“ waren in der Allzeit Angehörige einer der beiden Grundströmungen der Vorstellungen von den Erdbewohnern (Erdvianern), und zwar diejenigen, die sich (im Gegensatz zu den „Strammern[2]“) das Leben auf der Erde locker und kreativ vorstellten. Die Flammer gelten als die Schöpfer des Neuen Zentrums. Näheres s. Seite Flammer und Strammer in Artikel Allzeit in Band IV bzw. Artikel Strammer und Flammer in Kapitel Erdphantasien der Allzeit hier in Band V.

[4] ^ Das Dreijovi-Manuskript ist ein uraltes, sehr rätselhaftes Schriftstück (s. Artikel Das Dreijovi-Manuskript in Band IV).

[5] ^ Zu den Aufgaben der Jupolizei s. Seite Aufgaben der Jupolizei in Artikel Gesellschaftsordnung in Band III.

[6] ^ Als „Burgdamen“ werden die drei gegenwärtigen Bewohnerinnen der Alten Burg[8] bezeichnet, also Labsalie von Altburg-Schmausenfeld und ihre beiden Töchter, hauptsächlich in ihrer Eigenschaft als Verwalterinnen der Asservatenstube[9].

[7] ^ Die „Senke“ ist die Bucht des Offenen Ozeans[10] am nordwest/GÖlichen[11] Ufer der Grünberginsel[12], in der alles versenkt wird, was man nicht mehr braucht.

[8] Die „Alte Burg“ ist das Steingebäude auf dem Jupolis-Archipel[13], das noch von der Io[14] stammt.
Näheres s. Seite Alte Burg in Artikel Labsalinsel in Band I.

[9] Die Asservatenstube ist eine Sammlung von alten Skizzen, Notizen und „Antiquitäten“ in der Alten Burg[8], verwaltet von den Burgdamen[6] (s. Seite Die Asservatenstube in Band IV).

[10] Der Offene Ozean ist der die Inseln des Jupolis-Archipels[13] weiträumig umgebende Grundlikör[15].

[11] GÖlich = gegenöstlich (s. Artikel Die sechs Himmelsrichtungen in Band III).

[12] Grünberginsel: Die Großinsel im Norden des Jupolis-Archipels[13].
Näheres s. Artikel Grünberginsel in Band I.

[13] Der Jupolis-Archipel ist die Inselgruppe im Offenen Ozean[10], innerhalb der sich die Stadt Jupolis befindet. Er ist das Thema von Band I.

[14] Die Io, oft auch Heimat-, seltener Rumpelmond genannt, ist der innerste der vier größten, sog. Galileischen Monde des Jupiters. Von hier stammen die Jovianer ursprünglich.

[15] „Grundlikör“ wird die Grundflüssigkeit inner- und außerhalb des Jupolis-Archipels[13] genannt.

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