Band V

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ERDPHANTASIEN DER ALLZEIT: Strammer und Flammer:
Die Vorstellungen der Strammer

Die Strammer sahen den Sinn des Lebens der Mittelerdvianer eher darin, den Anordnungen der Obererdvianer Folge zu leisten, und das war allem voran, die Ortschaften ordentlich herumzuführen. Für die Strammer waren die Wirbelstürme denn auch viel häufiger und verbreiteter als für die Flammer – und als in Wirklichkeit; nachzuprüfen war die irdische Realität nach dem erneuten Verlust des Allkommels allerdings nicht mehr.
Die Strammer billigten den Mittelerdvianern also wesentlich weniger Zeit für Entspannung zu. Und sie hätten es lieber gesehen, wenn sie diese nicht mit solchen verrücken Tätigkeiten verplempert hätten, wie sie den Flammern vorschwebten. Sie sollten sich stattdessen besser einer strafferen Organisation ihres Gemeinwesens widmen, so dass es, beispielsweise, weniger Zusammenstöße gäbe in Sturmzeiten. Denn nach Auffassung der Strammer bewegten die Erdvis ihre Ortschaften in heillosem Chaos, während sie dies in den Augen der Flammer recht locker improvisierten.
Und mit jenen „Talenten“ da, wenn es sie schon geben musste (weil sie bei den Jovis solchen Anklang fanden), sollten die Mittelerdvianer nach Meinung der Strammer wenigstens ihre Last haben. Sie sollten sie erst einmal mühsam erlernen müssen, in Schulen, die zu besuchen man verpflichtet sei, gezwungen also, und zwar von Kindesbeinen an.

Obwohl der Jovianer selbst ja gar keine Gesetze kennt und prima damit zurechtkommt, wollten die Strammer die Erdvianer mit Geboten und Verboten durchregulieren vom Fühler bis zur Sohle. So fiel ihnen z. B. ein, dass die Farbe eines Flugballs bestimmen sollte, zu welcher Tageszeit er geflogen werden durfte. Und damit diese Regelung nicht unterwandert werden konnte, war es verboten, mehrere verschiedenfarbige Bälle zu besitzen, und in jeder der drei zugelassenen Farben durften maximal so viele Bälle existieren wie ein Drittel der Anzahl der Einwohner einer Ortschaft ab einem bestimmten Lebensalter. Hierzu mussten natürlich Statistiken geführt werden, damit immer klar war, wieviele Einwohner eine Ortschaft hatte und wie alt sie waren. Hierzu sei eine Horde von Statistikern heranzubilden, die gewisse Vollmachten innehaben sollten, und schließlich sei ein Teil der Mittelerdvianer zu „Durchsetzern“ zu ernennen, die dafür zu sorgen hätten, dass alles eingehalten werde. Diese sollten in den Häusern am Außenrand der Ortschaft angesiedelt sein, und diese Häuser seien an ihrer grünen Farbe zu erkennen; für andere Häuser sei diese Farbe somit untersagt. Diese grüne Häuserkette dürfe kein Einwohner ohne Genehmigung passieren, weder nach draußen, noch nach drinnen, auch obendrüber nicht. Der grüne Häuserwall solle auch gegen Angriffe der Untererdvianer schützen, und die Bewohner der inneren Häuser sollten sich möglichst unauffällig verhalten, um die Durchsetzer und Statistiker bei ihrer Arbeit nicht zu stören und kein Durcheinander zu verursachen, das die Obererdvianer nämlich gar nicht gern sähen.
Damit man auf den ersten Blick erkenne, wer über welche Befugnisse verfüge und welche Verpflichtungen habe, sei ferner eine Kleiderordnung einzuführen, an die sich jeder zu halten habe. Und es müsse, so die Strammer weiter, tägliche Versammlungen geben, mit Anwesenheitspflicht, auf denen sämtliche Gesetze aufgesagt würden, damit keiner sie vergesse.

Die Flammer ignorierten diese Vorstellungen komplett. Und mit ihnen die überwiegende Mehrheit der Jovianer. Es war nicht zu übersehen, dass die von den Flammern entdeckten „Talente“ weitaus attraktiver, weil spaßiger waren als das Erfinden von Beschränkungen. Die Strammer wurden immer weniger und kamen sich entsprechend komisch vor. Was die Letzten von ihnen aber keineswegs dazu brachte, sich geschlagen zu geben. Als sie nicht mehr um die Erkenntnis herumkamen, dass die Jovianer zunehmend die lustigen Freizeitbeschäftigungen der Mittelerdvianer nachahmten, verlegten sie sich darauf, wenigstens diese mit strengen Auflagen zu beeinflussen – vergeblich.
Parallel dazu kamen sie laufend mit Vorschlägen zur Stadtplanung daher. Anstatt ein neues Zentrum errichten zu wollen, das seinem Namen ohnehin nicht gerecht werden könne, da nur am Stadtrand Platz dafür sei, solle man besser sinnvollere Maßnahmen treffen, meinten sie. So sei es z. B. ein Unding, dass nach wie vor jeder nach Belieben kreuz und quer herumfliegen und -laufen könne. Sinnvoll wäre es beispielsweise, wenn man nur noch im Drehsinn der Weißen Wolkenwand[1] um die Häuser gehen dürfe, um Zusammenstöße zu vermeiden. Ebenfalls zu Unfallprävention müsse endlich ein Mindestabstand für fliegendes Fliegzeug[2] festgelegt werden. Mofas[3] sollten nur noch an speziell dafür ausgewiesenen Stellen auf den Schwimmtellern[4] abgestellt werden dürfen, etc. etc.
Es ist äußerst seltsam, wie sehr sich die Strammer der Allzeit in kuriose Vorschriften hineindenken konnten, läuft dies doch dem jovianischen Prinzip, andere nicht bevormunden zu wollen, völlig zuwider.
Aber für solcherlei Vorschläge war ohnehin der Zeitpunkt denkbar ungünstig. Die Jovianer insgesamt hatten anderes im Sinn.

Jupolizeihaus

Das Jupolizeigebäude im Neuen Zentrum    [G]

Interessant jedoch ist in diesem Zusammenhang ein Gebäude im Neuen Zentrum: das grüne Haus der Jupolizei. Es fällt dadurch aus dem Rahmen, dass es als Einziges nie für eine der neuen kulturellen Beschäftigungen (Talente) vorgesehen war, sondern von vornherein als Jupolizeizentrale. Anders als die anderen Bauwerke des Neuen Zentrums weist es keinerlei architektonische Besonderheit auf, von der vergitterten Tür mal abgesehen. Es ist nur ein schlichtes Häuschen. Die Jovisophie geht davon aus, dass es als Zugeständnis an die Strammer zu werten ist: Wenn sich schon die Flammer durchgesetzt haben, sollten doch auch die Strammer nicht ganz leer ausgehen und das Gefühl haben, durch die Präsenz dieser „Ordnungskraft“ wenigstens ein bisschen Aufpassertum mit eingebracht zu haben in die vermutete neue Zeit. Es ist denkbar, dass dieses Gebäude auch das einzige ist, das von den Strammern selbst gebaut wurde.
Dass es möglich, wenn nicht sogar nötig war, dass Mittelerdvianer auf ihresgleichen aufpassten (eben per Ordnungskraft), mussten nämlich auch die Flammer einräumen, denn schließlich leistete ja auch bei ihnen die Jupolizei gute Dienste (wenn auch nie als „Durchsetzer“ von der Art wie von den Strammern angedacht).

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[1] ^ Weiße Wolkenwand (WWW): Der Wolkenring weit außerhalb des Jupolis-Archipels[5]; s. Seite Weiße Wolkenwand (WWW) in Band I.

[2] ^ „Fliegzeug“ steht zusammenfassend für alle jovianischen Fluggeräte.
Näheres s. Artikel Fliegzeug in Band III.

[3] ^ Mofa: Das geflügelte Privat-Fluggerät der Jovianer zum Aufsitzen (s. Seite Das Mofa in Artikel Fliegzeug in Band III).

[4] ^ Die runden Scheiben, auf denen in Jupolis üblicherweise Häuser schwimmen.

[5] Der Jupolis-Archipel ist die Inselgruppe, innerhalb der sich die Stadt Jupolis befindet. Er ist das Thema von Band I.