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Die türkise Färberei war das Haus des Talents der „Färbung“.
Sie wird heute noch genutzt, wenn auch nicht mehr so schöpferisch wie zu Entstehungszeiten. Heute liegen, stehen und hängen hier v. a. halbfertige Hausbilder[1] herum (durchweg Röhrende Hirsche[2]), an denen gelegentlich jemand weitermalt. Da hier Farben aller Art bereitgehalten werden, kommen auch immer wieder mal Leute vorbei, um ihre Kleidungsstücke zu pünkteln oder karieren, da solche Muster beim Guss der Stoffe im Industriekomplex[3] nicht möglich sind. Die Farben können auch ausgeliehen und daheim aufgetragen werden.
Den Mittelerdvianern wurde nachgesagt, dass sie ihre Häuser mit Bildern ausschmückten – rechteckigen, versteht sich, in Anlehnung an ihre quaderförmigen Häuser. Dieser Vorstellung stand natürlich das jovianische Hausbild Pate, das es schon vor der Allzeit gegeben hatte. In der Färberei wurde dann ebenfalls auf eckige Plätter[4] gemalt, wobei das mit dem rechten Winkel nicht immer so recht geklappt hat, wie die in der Asservatenstube noch vorhandenen Exemplare beweisen. Das Neuartige daran war aber nicht nur die Form des Malgrunds, sondern der Umstand, dass die Motive andere waren als der ewige Hirsch.
Aber die Hauptbeschäftigung in der Färberei der Erdphantasien-Etappe lag nicht in der Plätter-, sondern in der Körperbemalung. Wie man es von den Erdvianern kannte, bemalten jetzt auch die Jovianer ihre Leiber mit auffallenden Farben. Teils, um so in der Stadt herumzustolzieren, teils um damit anschließend im Aktstudio an einer Aufführung teilzunehmen.
Eine Körperbemalung wie damals ist heute nicht mehr möglich. Denn die üblichen Vibrationsstifte[5], wie sie auf Jomit verwendet werden, sind dazu untauglich. Man benutzte hierfür spezielle, flüssige Farben auf Lachenlikörbasis, die inzwischen jedoch eingetrocknet sind.
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[1] ^ Das Hausbild darf in keinem jovianischen Haushalt fehlen. Einziges aus der Phase seines Aufkommens (s. Artikel Hausbildmalerei hier in Band V) übriggebliebenes Motiv allerdings ist der Röhrende Hirsch.
[2] ^ Das Hausbild mit dem Röhrenden Hirsch als einzigem übriggebliebenen Motiv ist ein Phasenrelikt[6] der Hausbildmalereimode (s. Artikel Hausbildmalerei hier in Band V).
[3] ^ Als Industriekomplex wird die Gesamtheit der grauen Gebäude im Westen/GO[7] von Jupolis bezeichnet, in denen Jomit[8] hergestellt und verarbeitet wird.
Näheres s. Artikel Industrie in Band I.
[4] ^ Ein Platt (Mehrzahl: Plätter, Verkleinerungsform: Plättchen) ist eine dünne Platte aus Halbhartjomit[8] (identisch mit Halbweichjomit).
[5] ^ Der Vibrationsstift malt auf Jomit[8] in der Farbe, auf deren Wellenlänge er eingestellt ist. D. h., er malt eigentlich gar nicht, sondern bringt das Jomit dazu, auf der betreffenden Fläche die betreffende Farbe anzunehmen.
[6] Als Phasenrelikte werden Gegenstände und Verhaltensformen bezeichnet, die nach Abklingen der Triebphase[9], in der sie aufkamen, in Gebrauch bleiben.
Näheres s. Seite Phasenrelikte in Artikel Trieb- und Knirschphasen in Band II.
[7] GO = Gegenosten (s. Artikel Die sechs Himmelsrichtungen in Band III).
[8] Jomit (ursprüngl.: Iomit) ist der Universalwerkstoff der Jovianer, aus dem so gut wie alles hergestellt werden kann.
Mehr dazu in Artikel Industrie in Band I.
[9] Trieb- und Knirschphasen: Die kollektiven Stimmungsschwankungen der Jovianer.
Näheres s. Artikel Trieb- und Knirschphasen in Band II.