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Der violette Klangkessel war das Haus des Talents der „Schallung“.
Dieses Haus heißt „Kessel“, weil es gar kein richtiges Haus ist, sondern ein Gebäude in der Form eines umgedrehten, nun ja, Kessels, mit einer eingekerbten Kugel obendrauf. Die Bedeutung dieser Kugel ist jovisophisch leider noch völlig ungeklärt. Wie überhaupt das mit der „Schallung“ noch ein großes Rätsel für uns ist.
Vermutlich ist darunter etwas wie Musik zu verstehen. Aber wir sind leider gänzlich außerstande, uns jovianische Musik vorzustellen. Und es ist möglich, dass sogar die Jovianer diesbezüglich noch reichlich ahnungslos waren und bis heute sind.
Man könnte sich nun darauf verständigen, dass Musik etwas ganz exklusiv Erdenmenschliches sein muss – schließlich machen auch Tiere keine Musik (gemeint ist Instrumentalmusik, womit also auch Singvögel und Meeressäuger ausscheiden). Aber dann wären die Jovianer ja niemals auf die Idee gekommen, den Erdvianern die Ausübung einer solchen anzudichten!
Die Häuser der Mittelerdvianer, hieß es, seien mit einem Schallerzeugungsgerät ausgestattet gewesen, mit dem sie einander warnen konnten, wenn beim Weiterzug im Sturmauge die Häuser einander zu nahe kamen.
Hupen also. Und diese seien unterschiedlich groß gewesen, je nach Hausgröße, hätten also auch unterschiedlich geklungen. Wenn nun die Obererdvianer einen Wirbelsturm etwas zu schnell bewegten, war viel Gehupe in der rollenden Ortschaft auf dem Grund, und das soll die Obererdvis gut unterhalten haben.
Die Untererdvianer, hieß es, verständigten sich von Erdloch zu Erdloch mit Wummgeräuschen (was natürlich mit dem Grünberwummen[1] zu tun hat und hierfür einen Erklärungsversuch liefern sollte). Hierzu hatten sie große, kesselförmige Vorrichtungen aus einem Material, das die Jovianer „Erdmit“ nannten, womit wohl eine Metalllegierung gemeint war. Darauf befand sich ein Deckel, und auf diesen schlugen sie mit einer Keule.
Pauken also. Und weil die Mittelerdvianer nicht verstanden, was sich die Untererdvianer mit diesem Wummen mitteilten und sich davon bedroht fühlten, besonders wenn sie wieder mal in einer fremden Gegend gelandet waren, bauten sie sich ähnliche Geräte, um gegenzuwummen. Einerseits, um klarzustellen: Das könnt nicht nur ihr! Andererseits, um die Untererdvis in ihrer Kommunikation ein bisschen zu stören, da sich diese ja unter Umständen auf diese Weise zu einem Raubzug gegen die Mittelerdvis verabredeten.
Etwas später schon waren sämtliche Rollhäuser der Mittelerdvianer mit Räderwummen versehen (später „Rollpauken“ genannt). Pauken, die an die Rädern der Häuser gekoppelt waren, bei Bewegung eines Hauses automatisch schlugen. Also schon halbwegs in einem Takt, oder eben in vielerlei Takten. So waren die Untererdvianer der betreffenden Gegend schon gewarnt, dass die Mittelerdvis nahten und sich nicht würden beeindrucken lassen vom Getrommel der Untererdvis.
Solche aus Jomit nachgebaute Schallfässer müssen auch die Jovianer ausprobiert haben, denn es gibt in der Asservatenstube ein Exemplar davon. Auch dieses hat ein Rad unter sich, das an eine Keule gekoppelt ist, die auf das Fass schlägt, wenn man mit dem Rad auf dem Boden herum fährt. Ob die Jovianer damit den Bovianern die Hölle heiß machen wollten, lässt sich nicht herausfinden; einen Bericht über eine solche Aktion gibt es jedenfalls nicht.
Mit Pauken und Hupen lässt sich schon ganz ordentlich Musik machen – Fanfaren- und Schalmeienzüge brauchen schließlich auch nicht viel mehr. Aber im mittlerweile ungenutzten Klangkessel sollen noch ganz andere Geräte herumliegen, als Schrott quasi, von denen keiner mehr weiß, wie man damit jemals hat Klänge oder auch nur Geräusche erzeugen können, geschweige denn, wie sie klangen. Nicht einmal die Hupe konnte bisher eindeutig identifiziert werden, aber wahrscheinlich sollte das Rohr, in den man einen Kolben drücken kann und das an der Unterseite ein Labium hat, eine solche sein. Aber das nützt uns sowieso alles nichts, solange wir es nicht hören können.
Vielleicht haben sich die Jovianer schon sattgehört an all den Klängen und es aufgegeben, welche zu erzeugen. Oder aber – ebenso denkbar! – sie bedienen sich längst weitaus anspruchsvollerer Instrumente, von denen wir nicht mal träumen könnten und bisher leider nie erfahren haben. Hierzu siehe auch den Abschnitt „Musik“ in Artikel „Kunst und Kultur“ in Band III.
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[1] ^ Das Grünbergwummen, auch Bovianerwummen genannt, ist ein von den Grünen Bergen[2] ausgehendes akustisches Phänomen, das unregelmäßig alle paar Jupjahrzehnte[3] auftritt und Panik auslöst, obwohl es noch jedesmal ohne Folgen geblieben ist. Seine Ursache ist ungeklärt.
Näheres s. Seite Das Grünbergwummen in Artikel Grünberginsel in Band I.
[2] Grüne Berge: Das Gebirge auf der Grünberginsel[4], Lebensraum der Bovianer[5].
Näheres s. Artikel Grünberginsel in Band I.
[3] Jupjahr nennen wir das Jahr nach jovianischer Zeitrechnung, ein Jupjahrzehnt umfasst dementsprechend 10 Jupjahre.
Ein Jupjahr entspricht dem Zeitraum nach 41,3 Erdentagen, ein Jupjahrzehnt also ca. 13,5 Erdenmonaten.
Näheres s. Artikel Zeit- und andere Rechnungen in Band III.
[4] Grünberginsel: Die Großinsel im Norden des Jupolis-Archipels[6].
Näheres s. Artikel Grünberginsel in Band I.
[5] Bovianer: Die fremden „Mitbewohner“ der Jovianer auf dem Jupolis-Archipel[6], ansässig in den Grünen Bergen[2]. Näheres s. Artikel Bovianer in Kapitel Andere Lebewesen in Band II.
[6] Der Jupolis-Archipel ist die Inselgruppe, innerhalb der sich die Stadt Jupolis befindet. Er ist das Thema von Band I.