Band I

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DIE INSELN: Grünberginsel:
Das Grünbergwummen

Die Grünberginsel ist groß genug, dass die Blumenzuchtfelder ebensogut hätten auf einem anderen Zipfel angelegt werden können, aber es ist anzunehmen, dass die Anpflanzung bewusst hier erfolgte. Hier, in unmittelbarer Nähe der Grünen Berge und mit dem Zwang, direkt an deren südlichem Massiv vorbeizuwandern. Der Grund war wahrscheinlich die Absicht, sich, also den Jovianern, ein bisschen die Angst vor den Grünen Bergen zu nehmen. Denn es ist nicht genug damit, dass dort die Bovianer hausen, die Jovis müssen auch noch mit etwas Entsetzlichem leben, was allerdings glücklicherweise nicht allzu oft vorkommt: dem Grünbergwummen.

Es wird auch Bovianerwummen genannt, obwohl man nicht weiß, ob die Bovianer es verursachen oder, im Gegenteil, selbst darüber in Schrecken erstarren, noch viel mehr vielleicht als die Jovianer.
In unregelmäßigen Abständen nämlich kommen höllische Geräusche von den Grünen Bergen her. Einer noch von Kapitän Alp[1] persönlich verfassten Kurzbeschreibung in der Asservatenstube[2] zufolge können wir uns dieses „Wummen“ wie eine Vielzahl von gewaltigen Paukenschlägen vorstellen (Alp erwähnt nicht wörtlich die „Pauke“, aber seine Beschreibung lässt sich zweifelsfrei so deuten).
Zwischen dem Auftreten dieses akustischen Phänomens liegen jedesmal mehrere Jupjahrzehnte[3], jedoch hat es jeder erwachsene Jovianer schon mehrmals erlebt, d. h. es wird im Durchschnitt wohl so alle 60-70 Jupjahre vorkommen, das wären umgerechnet um die 7-8 Erdenjahre.

Keiner weiß, woher es kommt.
Und wäre der Jovianer nicht ohnehin schon schwach in Ursachenforschung – hier wäre sie ihm vollends unmöglich, denn er müsste der Sache ausgerechnet auf dem Gelände der Bovianer nachgehen.
Immerhin muss das Wummen bei der angenommenen durchschnittlichen Häufigkeit nun schon etliche Male seit Bestehen von Jupolis stattgefunden haben – und nie ist etwas passiert. Wäre dem anders, man wüsste davon.
Man könnte das Grünbergwummen also als eine harmlose Naturerscheinung abhaken oder schlimmstenfalls als irgendeine geräuschvolle bovianische Tätigkeit, aber in beiden Fällen ohne Auswirkungen auf die jovianische Bevölkerung, vom Schrecken abgesehen. Aber das gelang bisher noch nicht. Dazu ist es einfach zu grausig und unheimlich. Es packt die Jovianer so, als wäre es ein eindeutiges Zeichen des Anfangs vom Ende, die Einleitung des Weltuntergangs, hier wenigstens des Untergangs des Jupolis-Archipels mitsamt der (doch schwimmenden) Stadt. Dabei ist es nicht einmal mit einem Erzittern der Umgebung verbunden, also so gesehen kein Vorbote vulkanischer Tätigkeit wie auf der Io[4]. Und untergegangen ist, wenn es wieder aufhört, überhaupt nichts. Außer vielleicht eine Triebphase, falls sich das Jovianervolk gerade in einer befand. Denn eine solche kann vom Grünbergwummen augenblicklich beendet werden. Somit ist es das Einzige außer der Seele des Jovianers selbst, was in der Lage ist, ihn in die Knirschphase zu stürzen.

Allerdings ist sogar dem Grünbergwummen noch ein bisschen etwas Positives abzugewinnen, denn es scheint zur Erfindung der jovianischen Rollpauke geführt zu haben. In der Erdphantasien-Etappe der Allzeit[5] stellten sich die Jovis nämlich vor (zweifellos vom Grünbergwummen inspiriert), die Untererdvianer[6] hätten sich in ihren Erdlöchern mit Wummgeräuschen verständigt, was dann von den Mittelerdvianern mit einer Art Pauke nachgeahmt worden sei, die dann schließlich von den Jovianern nachgebaut wurde.

Indessen kann auch die Jovisosophie[7] nicht mit Erklärungsvorschlägen für das Grünbergwummen aufwarten, denn dazu wissen wir viel zu wenig von der inneren Struktur des Jupiters, als dass man sagen könnte, es könnte etwas Tektonisches o. ä. dahinterstecken. Wir wissen ja nicht einmal, was das für eine Oberfläche ist, auf der der Offene Ozean[8] samt seinen Inseln sitzt, schwimmt oder gar schwebt. Und die Jovis könnten es uns auch nicht erklären, da sie es selbst nicht wissen.
So kommt es, dass sich die Jovisophie mit vielerlei bisher Unbekanntem abfinden muss.

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[1] ^ Alp von Altburg, genannt Kapitän Alp: Leiter der Umsiedlung der Jovianer von der Io[4] auf den Jupiter (s. Artikel Artikel Der Große Umzug in Band IV)

[2] ^ Die Asservatenstube ist eine Sammlung von alten Skizzen, Notizen in Familienschrift[9] und „Antiquitäten“ in der Alten Burg[10], verwaltet von Mitgliedern der Familie von Altburg-Schmausenfeld[11] (s. Die Asservatenstube in Band IV).

[3] ^ Jupjahr nennen wir das Jahr nach jovianischer Zeitrechnung, ein Jupjahrzehnt umfasst dementsprechend 10 Jupjahre.
Ein Jupjahr entspricht dem Zeitraum nach 41,3 Erdentagen, ein Jupjahrzehnt also ca. 13,5 Erdenmonaten.
Näheres s. Artikel Zeit- und andere Rechnungen in Band III.

[4] ^ Die Io, oft auch Heimat-, seltener Rumpelmond genannt, ist der innerste der vier größten, sog. Galileischen Monde des Jupiters. Von hier stammen die Jovianer ursprünglich.

[5] ^ Die Allzeit war eine aus drei ineinandergreifenden Teil-Triebphasen[12] bestehende Epoche, in der sich die Jovianer mit dem Weltall, Erdphantasien und kulturellen Experimenten befassten. Näheres s. Artikel Allzeit in Band IV.

[6] ^ (Ober-, Mittel-, Unter-)Erdvianer: „Erdbewohner“ nach jovianischer Vorstellung. Nicht: Menschen! Näheres s. Artikel Dreierlei Erdvianer in Kapitel Erdphantasien der Allzeit in Band V.

[7] ^ Die Jovisophie ist die ehrwürdige Lehre von der jovianischen Zivilisation. Die Jovisophische Gesellschaft[13] vertritt diese Lehre, die sich bewusst nicht „Wissenschaft“ nennt, auf der Erde.

[8] ^ Der Offene Ozean ist der die Inseln des Jupolis-Archipels[14] weiträumig umgebende Grundlikör[15].

[9] Die „Familienschrift“ ist die Schreibschrift derer von Altburg-Schmausenfeld[11], die einzige bekannte Schrift, die noch von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Näheres s. Die Familienschrift in Band IV.

[10] Die „Alte Burg“ ist das Steingebäude auf dem Jupolis-Archipel[14], das noch von der Io[4] stammt und von Alp von Altburg[1] auf der Labsalinsel[16] neu aufgebaut wurde.
Näheres s. Alte Burg in Artikel Labsalinsel hier in Band I.

[11] Familie von Altburg-Schmausenfeld: Die auf Alp von Altburg[1] und Hedi von Schmausenfeld[17] zurückgehende Familie, wohnhaft in der Alten Burg[10], mit eigener Schrift („Familienschrift[9]“); Hüter der Asservatenstube[2].

[12] Trieb- und Knirschphasen: Die kollektiven Stimmungsschwankungen der Jovianer.
Näheres s. Artikel Trieb- und Knirschphasen in Band II.

[13] Die Jovisophische Gesellschaft ist die Gemeinschaft der Menschen, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Menschheit, also die Erdbewohner, über die Existenz der Jovianer, also der Jupiterbewohner, aufzuklären.
Diese Enzyklopentalogie z. B. ist eine Publikation der Jovisophischen Gesellschaft.

[14] Der Jupolis-Archipel ist die Inselgruppe, innerhalb der sich die Stadt Jupolis befindet. Er ist das Thema dieses gesamten Bandes. Eine Karte des Archipels findet sich ganz am Anfang.

[15] „Grundlikör“ wird die Grundflüssigkeit inner- und außerhalb des Jupolis-Archipels[14] genannt, also des Offenen Ozeans[8] und des Dunklen Meers[18] einschließlich des Stadtmeers[19].

[16] Die Labsalinsel ist die Insel im Südost/GW[20] des Jupolis-Archipels[14].
Näheres s. Artikel Labsalinsel in Band I.

[17] Hedi von Schmausenfeld, zuvor von Schmauchenfels, zuvor von Fadland: zunächst Rosmars Frau (s. Artikel Stadtchefzeit in Band IV), später Alps[1].

[18] Das Dunkle Meer ist der gesamte Grundlikör[15] innerhalb der Inseln des Jupolis-Archipels[14]; ein Teil davon wird als Stadtmeer[19] bezeichnet.

[19] Als Stadtmeer wird der Teil des Dunklen Meers[18] bezeichnet, in dem Jupolis liegt (bzw. schwimmt).

[20] GW = Gegenwesten (s. Artikel Die sechs Himmelsrichtungen in Band III).

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