Jupolis

Die Jupseitlers sind eine typische – oder sagen wir: durchschnittliche – Jovianerfamilie: Frau und Mann und Kind. Wobei der Junge natürlich ebenso ein Mädchen sein könnte. Auch Zwillinge sind nicht selten, aber die allermeisten Jovianer wachsen als Einzelkind auf.
Und sie werden sehr früh selbständig. Kaum können sie laufen, beginnen sie auch schon mit dem Fliegen. Mit dem Mofafliegen, um genauer zu sein. Denn die Jovianer kennen von alters her ein Fluggerät namens Mofa. Und der Umgang damit ist für sie so selbstverständlich, dass man meinen könnte, sie hätten diese Fähigkeit als eine Art Instinkt vererbt bekommen. Jedenfalls erlernen sie das Mofafliegen viel, viel leichter als unsereins das Fahrradfahren.

Dabei war auch das Mofa erst einmal ein „Fahrrad“: „Mofa“ ist nämlich nichts anderes als eine Abkürzung für „Mondfahrrad“. Und es wird erzählt, dass die Flugfähigkeit dieses Fortbewegungsmittels ursprünglich noch gar nicht bekannt gewesen sei. Erst später, als die Jovis (wie man die Jovianer auch kurz nennt) schon viel damit geradelt waren, sei durch Zufall entdeckt worden, dass man damit auch fliegen kann.

Seither fliegen sie also, und das ist nun ein Mädchen, das man hier auf der Abbildung dahinsausen sieht. Und auch das ist typisch. Denn die Mädchen sind dem Mofafliegen mindestens genauso zugetan wie die Jungs.
Was uns auf die Frage bringt: Wodurch unterscheiden sich jovianische Männlein und Weiblein überhaupt? Wie können wir sie auseinanderhalten?
Zunächst einmal ist die Antwort darauf verblüffend einfach: anhand der Kleidung. Männer tragen kurze Beinkleider, Frauen ein kurzes, unseren Röcken ähnliches Kleidungsstück. Die Neigung der Geschlechter, sich unterschiedlich zu kleiden (und das ist auch bei uns nach wie vor der Fall, auch wenn unser Kleidungsstil nicht ganz dem jovianischen entspricht) ist offenbar interplanetar. Also auf allen Planeten gleich, oder zumindest ähnlich. Jedenfalls im selben Sonnensystem. Und die Jovianer bewohnen schließlich dasselbe Sonnensystem wie wir. Sie leben auf dem Jupiter.

Moment mal, mag man hier einwerfen, der Jupiter ist aber ein Planet! Das ist richtig. Und kein Mond! Ebenso richtig. Wieso heißt das Mofa dann „Mondfahrrad“ und nicht „Planetfahrrad“?
Das kommt daher, dass es das Mofa schon gab, bevor die Jovianer auf den Planeten umsiedelten. Stammen tun sie nämlich von einem seiner Monde, dem Jupitermond Io.

Doch wir waren bei der Unterscheidung anhand der Kleidung. Nun sind die Jovis allerdings recht spärlich bekleidet, und aus so manchem Betrachtungswinkel sieht man die Kleider nicht einmal. Aber es gibt noch andere Unterscheidungsmerkmale. Sie haben nämlich auch unterschiedliche Gesichter. Männliche Jovianer haben vorn an der Schnauze* und oben am Kopf eine Einbuchtung. Weibliche nicht. Dafür haben diese ein zusätzliches Fühlerpaar. Jovis mit vier Fühlern sind also immer weiblich, denn männliche haben nur zwei. Und die Frauen und Mädchen haben zusätzlich einen dunklen Bogen an den oberen Außenrändern der Augen, den man Wimpernbogen nennt. Aber das ist eine menschliche Bezeichnung, denn ein Wort für „Wimper“ kennt der Jovianer nicht.

Betrachten wir einmal, wie die Jovianer so leben. Fühlen wir uns eingeladen, die Jupseitlers zu Hause zu besuchen.
Die Familie wohnt natürlich in Jupolis. Denn bis auf wenige Ausnahmen wohnen alle Jovis in Jupolis.

Jupolis ist eine Stadt. Man könnte sie als die Hauptstadt der Jovianer bezeichnen, wenn es auch noch andere jovianische Städte gäbe. Es gibt aber keine. Jupolis ist also nicht eine jovianische Stadt, sondern die Stadt überhaupt. Jupolis ist eben Jupolis.

Und es ist eine schwimmende Stadt. Nein, nicht wie Venedig, denn Venedig steht zwar im Wasser, schwimmt aber nicht. Jupolis hingegen schwimmt. Allerdings nicht im Wasser, sondern in einer uns unbekannten Flüssigkeit.

* Das Wort „Schnauze“ ist keineswegs abfällig gemeint! Was es mit dieser Bezeichnung auf sich hat, wird – wie zahllose andere Dinge mehr – in unserem Hauptwerk über die Welt der Jovianer erklärt, der „Jovisophischen Enzyklopentalogie“.