Jupolis

Wir überfliegen das Reihenhauskaff und das Doppelhauskaff (unter uns sehr schön die Doppelhäuser zu sehen, die, ebenso wie die Reihenhäuser, heute als architektonischer Missgriff gelten) und nehmen über das Schwarzfingerkaff Kurs auf das Neue Zentrum, die Sehenswürdigkeit von Jupolis schlechthin.

Das Schwarzfingerkaff hat seinen Namen vom sogenannten Schwarzen Finger, dem höchsten Leuchthaus der Stadt. Noch ist es schwarz, aber bei Nacht leuchtet es, ebenso wie die anderen Leuchthäuser, die über ganz Jupolis verteilt sind. Und ebenso wie die Scheinwerfer der jovianischen Fluggeräte.
Auch die sind bei Tageslicht schwarz. Dies nämlich ist die Eigenschaft des Luminats, einer speziellen Jomitbeschichtung. Sogar angetrieben wird das Fliegzeug (wie bei den Jovis alles heißt, womit sich fliegen lässt) mit Luminat. Die Jovis brauchen deswegen zum Fliegen keinen Treibstoff, keinen Tank. Aber wir wollen hier nicht zu sehr ins Technische abschweifen.

Unter uns nun eine der vier Würfelhausbastionen. Die stets von sechs bis sieben Großhäusern umringten Würfelhäuser sind so was wie Banken. In ihnen werden Würfel aufbewahrt, und Würfel sind das Kostbarste, was der Jovianer kennt. Die gleichmäßige, eckige Form ist für ihn ein Wunder. In seiner Welt ist alles rundlich, und die perfekteste Form, die er anstrebt, ist das Joval.

Dies wiederum ist eine Form, die bei uns auf der Erde nur selten vorkommt. Sie lässt sich schwer in Worten beschreiben, deshalb siehe Abbildung links.
Es ist uns ja auch längst aufgefallen, dass nahezu alle Fenster von Jupolis diese Form aufweisen. Ein paar runde gibt es noch, aber keine eckigen – außer hier am Eckenhaus, diesem blauen Gebäude, das wir schon sehen, ehe wir im Neuen Zentrum landen.

Dieses Zentrum am Stadtrand ist ein absolutes Kuriosum. Und zwar für die Jovianer selbst. Es stammt aus der sogenannten Allzeit, wie wir wissen, womit aber der Jovi an sich nicht viel anfangen kann. Er kann nur staunen über die verrückte Architektur mancher dieser Häuser, insbesondere des Eckenhauses. Eckige Fenster, unfassbar. Wie das nur jemals hinzukriegen war?

Wären wir wirklich dort und könnten wir uns mit den Jovianern sprachlich verständigen, wir könnten ihnen einiges erzählen über ihre eigene Vergangenheit. Und sicherlich könnten wir damit auch ihr Dramengedächtnis ansprechen, allein schon durch unsere Existenz. Von welcher übrigens nur ungefähr drei Jupolitaner (also Einwohner von Jupolis) wirklich wissen. Alle anderen haben vom Leben auf der Erde keine Ahnung. Aber: Es hat eine Zeit gegeben, da haben sie in einer heftigen Triebphase eifrig herumgesponnen und sich andere intelligente Wesen im All vorgestellt, und zwar ausgerechnet auf der Erde. Was natürlich wieder Zufall ist, aber für uns ja ganz schmeichelhaft. Die abgefahrensten Beschäftigungen für die Erdvianer ließ man sich einfallen, Spiele etwa, Rätselraten und Theater, und schickte sich tatsächlich an, all das selbst nachzuahmen. Man errichtete Gebäude, wie Tempel für unbekannte Gottheiten, in denen man diesen fremdartigen Tätigkeiten nachging. Und man war damals überzeugt, dass sich damit ein immerwährender, gewinnbringender Wandel in der jovianischen Gesellschaft vollziehen würde, daher der Name „Neues Zentrum“.
Heute stehen die Häuser weitestgehend leer.