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Jupolitanische Hausnummerierung und Personenadressierung
(05.06.2017)

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Jeder in Jupolis hat eine Adresse. Zumindest in der Stadt selbst, wozu bekanntlich auch die Einsiedlersiedlung jenseits der Grünen Berge zählt. Etwas schwieriger wird es mit den Bewohnern der Alten Burg und der Buntberghöfe. Für diese gibt es keine allgemein verbindlichen Adressen. Aber wenden wir uns den Stadtbewohnern zu, die ohnehin fast die gesamte Bevölkerung der Jovianer darstellen.

Und von den Jupolitanern hat jeder eine Adresse, die ausschließlich aus Ziffern besteht. Da es in Jupolis keine Straßen gibt, brauchten solche glücklicherweise auch nie benannt werden – der Jovi hätte große Schwierigkeiten, die Namen niederzuschreiben. Möglicherweise wäre eine Schrift sogar erhalten geblieben, wenn man sie wenigstens für die Niederschrift von Straßennamen noch gebraucht hätte, allerdings kannte der Jovi über den gesamten Verlauf seiner Entwicklung niemals Straßen. Auch auf dem Heimatmond gab es keine solchen – ja nicht einmal Städte, allenfalls Dörfer, von einer Größe, die keiner Straßen bedurfte.

Immerhin sind ihm die Zahlen geblieben. Viele, ja die meisten Jovianer kennen die Zahlen bis zu einer gewissen Höhe und können sie meist auch schreiben. So ist es nur natürlich, dass die Nummerierung der Häuser von Jupolis auch als Adressierung diente; nicht nach Straßen freilich, sondern nach Käffern, wie die Stadtteile ja in Anlehnung an die Kleindörfer auf der Io heißen.

Nun waren die Häuser auf der Io sicherlich noch nicht nummeriert. Wenn sich jemand in ein anderes dortiges Kaff begeben hatte, genügte ihm als Adresse etwas wie „das blaue Haus“. Etliche Familiennamen wie „von Blauhaus“, „von Rothaus“ u. dgl., die heute noch in Jupolis gebräuchlich sind, stammen tatsächlich noch aus dieser Zeit, als ein solcher Name in einem bestimmten Umfeld eindeutig war. Heute gibt es in der Großstadt natürlich eine Unmenge blauer, grüner, gelber, roter Häuser, und ein solcher Name sagt gar nichts mehr über die Herkunft aus. Aber bleiben wir bei den Zahlen.

Sehr früh schon muss es den Jupolitanern aufgefallen sein, dass eine Nummerierung ihrer Häuser unverzichtbar war. Denn es gibt ja doch den einen oder anderen Anlass, zu dem man eine Adresse braucht. Es geht hier nicht um die Zustellung von Post. Eine solche kennt der Jovianer nicht, eine Briefpost natürlich schon gar nicht. Aber Zustellungen anderer Art gibt es durchaus. Anders als bei uns ein Taxifahrer muss ein Mofaxipilot zwar keineswegs wissen, zu welcher Adresse er fahren, hier: fliegen soll – der Fluggast wir ihm klipp und sagen können, welchen Weg er nehmen und wo er landen soll. Anders aber, wenn der Mofaxipilot keinen Fluggast, sondern eine Ware irgendwo abzugeben hat. Dann braucht er eine Adresse.
Umgekehrt brauchen auch Personen oftmals eine Adresse, wenn es darum geht, sich irgendwo einzutragen, bspw. um sich einen Platz, eine Vorrangstellung zu sichern. Wo immer Plätze für eine Teilnahme begrenzt sind, müssen sich die Zuerstgekommenen in eine Liste eintragen können, in der ihr Anspruch festgehalten werden kann – in Form ihrer Adresse. Und ausschließlich dieser, da der Name nun mal nicht schriftlich festhaltbar ist.

Man nennt, nach der Adresse gefragt, eine Nummer, aufgeteilt mit einem oder mehreren Trennstrichen. Und diese Nummer ist absolut eindeutig. Eine Adresse wie 8-44-7 gibt es kein zweites Mal. Nirgendwo in Jupolis.

Die Jovianer wissen sehr gut, dass sie – trotz aller eindrucksvollen Begabung für die Lösung praktischer Aufgaben – eine Neigung dazu haben, weniger praktische Dinge zu verkomplizieren. Umso bewundernswerter scheint uns ihre Entscheidung, die Häuser von Jupolis nicht einfach fortlaufend zu nummerieren (woraus ein heilloses Durcheinander entstanden wäre), sondern nach Käffern, Stadtteilen also, getrennt. Irgendwann muss die Idee aufgekommen sein, nachdem die ersten, in Teilen noch von der Io mitgebrachten Häuser, durchnummeriert waren, dass man allen weiteren entstehenden Häusern eine andere Anfangsnummer zuteilen sollte. Die Kaffnummerierung war geboren, bis heute eine segensreiche Einrichtung.

Vermutlich trugen die ersten Häuser von Jupolis, die der historischen Altstadt, wie man sie heute nennt, nicht von vornherein die Kaffnummer 1; vermutlich waren sie zunächst wirklich nur durchnummeriert von 1 bis 49. Spätestens aber als die ersten neuen Häuser hinzukamen, am nordöstlichen Rand der Altstadt war das, in der nun entstehenden „Neustadt“, muss es jemandem eingefallen sein, man sollte genau an diesem Punkt mit der Zählung neu beginnen. Denn es war ja bereits abzusehen, dass die Stadt noch gewaltig wachsen würde – noch waren viele, deren Häuser die vulkanische Katastrophe auf der Io (die ja schließlich der Grund für die Auswanderung auf den Jupiter war) nicht überstanden hatten, obdachlos und lagerten auf freiem Feld auf den Inseln des Archipels. Auch war allen klar, dass sich die Bevölkerung vermehren würde über die Generationen, es würden also noch zahlreiche Häuser hinzukommen, und wer konnte schon vorhersagen, wie hoch die Nummern würden, wenn man immer nur weiterzählen würde. Und sicherlich gab es damals schon kluge Leute, die vorhersagten, dass es dem maximal das dörfliche Leben gewohnten Jovi nicht guttun würde, eines Tages in Haus 15841 zu leben, sondern dass er eine mehr oder weniger eingegrenzte, vertraute Umgebung brauche, zumindest in der Anfangszeit.

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