Brunnentor
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Volkszählung

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    »Aber von den anderen Jovizählern sollte man schon erwarten können, dass sie Ihre 400 Zeichen beherrschen, stimmt’s?«, hatte Abirei derweil das Gespräch weitergeführt, und Frau von Randsaum hatte geantwortet, man müsse sie eben aussuchen und schulen.
    »Alle Bewerber besuchen einen Kurs …«, sagte sie.
    »Bei Ihnen, nehm ich an?«
    »Bei wem sonst, nicht? Am Ende wird eine Prüfung abgenommen …«
    »Von Ihnen doch sicherlich?«
    »Also wissen Sie, Sie stellen vielleicht Fragen«, meinte die Dame kopfschüttelnd. »Aber gut, müssen Sie wahrscheinlich, weil nicht jeder Zuschauer sofort kapiert. Also: Meinetwegen könnte die Prüfung auch von Ihnen abgenommen werden, nur müsste ich Sie dann vorher fit machen dafür. Aber so richtig voll fit. Sie wissen schon, nicht? So, und diejenigen, die die Prüfung fehlerfrei abgelegt haben, dürfen dann …«
    »Entschuldigen sie die Zwischenfrage, von Randsaum«, warf Abirei ein und hielt eine Hand hoch, zum Zeichen, dass sie jetzt nicht unterbrochen zu werden wünsche, auch wenn sie sich etwas Zeit ließ mit der Frage selbst. Diese lautete dann: »Sie sind also Stammzuschauerin des Dritttagskanals?«
    Die Dame stockte. Was sollte das denn jetzt? »Ich? Na ja, Stammzuschauerin würde ich mich jetzt nicht unbedingt nennen. Wieso?«
    »Aber sie sehen uns öfter mal?«
    »Na ja, was heißt öfter mal. Eine Nachbarin – Ansehensstufe 7, würde ich sagen, oder doch eher 6 – hat mir letzte Woche erzählt, da gebe es außer dem normalen Kommelrundfunk nochmal was, aber nur einmal pro Woche, und die hätten grade eine Einwohnerzählung oder so was vor, und das interessierte mich.«
    »Dann bin ich ja erleichtert«, sagte Abirei.
    Heck und Rumu richteten sich staunend auf.
    »Denn ich dachte«, rede die Dame weiter, »das passt ja ganz gut zu mei…«, dann aber schienen Abi­reis Worte sie erreicht zu haben. Sie unterbrach sich und fragte entsetzt: »Wie meinen Sie das?«
    Abirei war noch am Überlegen, wie sie sich in der Folge verhalten solle, und sagte zunächst nichts.
    »Halten Sie mich bitte nicht für blöd!«, zischte Frau Randsaum grimmig. »Wie haben Sie das eben gemeint?«
    »Na gut, Klartext: Unsere Zuschauer stellen wir uns irgendwie anders vor«, erklärte Abirei so ruhig und sachlich wie sie konnte. Sie war es nicht gewohnt, Gäste derart vor den Kopf zu stoßen, hier aber half nichts anderes.
    »Was soll das heißen?!«, brauste die Dame auf.
    »Eben nicht wie jemanden«, sagte Abirei, »der den Ansehensgrad seiner Nachbarn festlegen, katalogisieren und konservieren will, dafür eigens eine Schrift entwickelt hat und diese auch noch anderen beibringen und sie prüfen will.«
    »Das ist eine Unverschämtheit, wie abschätzig Sie das sagen!«, schimpfte die Frau. »Das lasse ich mir nicht bieten! Ich bin eine unbescholtene Person von einwandfreiem Ruf und nicht gewohnt, derart ehrabschneidend behandelt zu werden! Sie haben Ihr eigenes Ansehen gerade mit wenigen Sätzen auf höchstens 4 runterbefördert, damit Sie’s nur wissen. Kein Umgang für mich! Ich werde diesen Raum unverzüglich verlassen!« Sie sah sich nach dem Ausgang um, dabei fiel ihr Blick auf den leeren Sitz neben ihr. »Wo ist denn das andere Kind hingekommen?«, fragte sie dabei mehr sich selbst.
    »Der Jugendliche ist Ihnen bereits vorausgegangen«, sagte Abirei.
    »Sie wollen mich also rauswerfen?«, rief die Ansehensforscherin aufgebracht. »Eine Unverfrorenheit ist das! Ungeheuerlich! Ich war hier eingeladen!« Sie stand auf.

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