Brunnentor
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Volkszählung

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    »Kaff Nummer 6«, stellte Fring fest. »Trifft sich gut, ich wohne in Kaff 9, also gleich nebenan, da Nummer 7, das Grünturmkaff, auf der anderen Seite von Nummer 6 liegt und Kaff 8, das Schwarzfingerkaff, ganz woanders.«
    Frau von Randsaum war dazu übergegangen, vor Ungeduld hörbar zu japsen.
    »Aus Ihnen wird mal ein exzellenter Mofaxipilot, Fring, das seh ich kommen«, lobte Abirei.
    »Das wäre nicht schlecht. Wollen wir’s hoffen«, sagte Fring.
    »So, von Randsaum«, wandte sich Abirei betont höflich und ruhig wieder an die Ansehensexpertin, »vielen herzlichen Dank für Ihre Geduld. Jetzt sagen Sie uns und unseren Zuschauern doch bitte noch, auf welche Weise Sie Ihre Einordnung nach Ansehen festhalten wollen. Unsere Vorgehensweise bei der Volkszählung ist ja die, dass die Einwohnerzahl eines Jovizähler-Bezirks pro Haus festgestellt wird, um daraus die durchschnittliche Personenbelegung pro Haus zu ermitteln. Wollen Sie also parallel eine Liste von 1 bis 13 führen, die dann das durchschnittliche Ansehen in diesen Häusern wiedergibt?«
    Frau von Randsaum schien nicht zu verstehen. »Was für ein Durchschnitt?«, fragte sie. »Wer redet hier von Durchschnitt? Man stellt doch nicht das Ansehen jedes Einzelnen fest, um am Ende nur einen Durchschnittswert zu erhalten, nicht?«
    »Ach so«, sagte Abirei, »sie meinen, das wird dann für jeden Einzelnen dauerhaft registriert?« Gerade wurde ihr klar, was Frau von Randsaum wirklich im Sinn hatte. Diese Frau war in der Tat nicht nur komisch – sie hatte es geradezu mit einer Verrückten zu tun! Nun sah sie auch einen Ansatzpunkt, die Sendung zu retten: Sie musste die Absichten dieser Dame vor dem Publikum ausbreiten.
    »Nicht dauerhaft«, sagte Frau von Randsaum, »denn das kann sich ja im Lauf der Zeit ändern. Die Liste muss dann alle paar Jahre mal aktualisiert werden, es verändern sich ja auch andere Dinge: Leute ziehen um, neue werden geboren, alte sterben weg, nicht? Nicht? All das.«
    »Aber dazu müssen Sie ja die Namen festhalten können. Wie wollen Sie das denn machen?«
    »Hab ich mir alles schon überlegt, keine Sorge«, sagte Frau von Randsaum, »mein Konzept ist längst fertig, ich habe nur noch auf eine Gelegenheit gewartet, es in die Tat umzusetzen, also so was wie Eure Volkszählung. Ich habe eine Schrift entwickelt, mit der man …«
    »Sie haben bitte was?«
    »Eine Schrift entwickelt. Sie hat etwa 400 Zeichen, mit denen man alle Silben aufschreiben kann. So ungefähr jedenfalls, aber so genau kommt’s ja gar nicht drauf an, man weiß dann schon, wer gemeint ist. Also, wenn man dann zum Beispiel ›von Grühau‹ liest, liegt es ja auf der Hand, dass damit ›von Grünhaus‹ gemeint ist, nicht? Hätte ich die Mitlaute nach dem Selbstlaut in einer Silbe auch noch mit berücksichtigt, wären es einfach zu viele Zeichen geworden, als dass man sie sich noch hätte merken können. Deshalb sag ich ja, dass Kinder wie unsere beiden hier nicht mitmachen können, die haben das noch nicht drauf, die können sich keine 400 Zeichen merken.«
    Beim Wort »Kinder« im letzten Satz sahen sich Abirei und Fring in die Augen. Der Junge, der kein Kind mehr sein wollte, hatte die Hände schon am Sitzrand und schickte sich an, aufzustehen, hielt aber noch inne. Abirei lächelte ihm zu und nickte kaum merklich – der Junge begriff: ihre Billigung hatte er, er konnte sich das erlauben. Also erhob er sich und verließ wortlos und ohne jede Gebärde den Raum. Das Mädchen blickte ihm verdattert hinterher, Rumu und Heck außerhalb des Sichtfelds des Sendekommels lachten lautlos und winkten ihm noch, er winkte zurück und verschwand. Abirei hatte ihm nur mit den Augen nachgesehen, den Kopf nicht gedreht dabei, Frau von Randsaum schien den Vorfall nicht einmal bemerkt zu haben.

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