Brunnentor
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Der Fall Würfelhaus 4

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    Die Stillen Beobachter hatten sich wie üblich im Brunnentorstübchen versammelt, um zu beraten, was sie am kommenden Dritttag senden könnten. Und wie es eben manchmal so vorkommt, erschien es ihnen heute besonders schwierig, ein Thema zu finden. Es hatte sich nichts Außergewöhnliches zugetragen, noch dazu waren die aufgeschobenen Dinge, die Dinge, die man sich für ereignisärmere Zeiten aufhebt, bereits abgearbeitet. Rumu, Abirei, Lia und Heck waren schon am Überlegen, ob man die Sendung nicht doch einfach mal ausfallen lassen könne, so nach dem Motto: »Der Dritttagskanal sendet nur, wenn es wirklich was zu senden gibt«. Diese Diskussion kam äußerst selten auf – heute war es soweit. Es war also einer der ratlosesten Tage in der Geschichte ihres Kommelsenders, und Trübsal hatte sich breitgemacht im Brunnentor, als von draußen Stimmen und Geräusche ins Stübchen drangen. Lia, die am Seitenfenster saß, machte als Erste darauf aufmerksam: »Da tut sich was«, sagte sie. Die anderen drei kamen ans Fenster und sahen, wie am Jupolizeihäuschen nebenan offenbar große Aufbruchstimmung herrschte. Eine ganze Reihe von Jupolizeien bestiegen hektisch ihre Becher, hoben fast senkrecht ab und flogen davon.
    »Großeinsatz offenbar«, stellte Rumu fest.
    »Oder auch nur eine Übung«, meinte Lia.
    »Gehn wir doch einfach mal raus«, schlug Abirei vor, »vielleicht ist ja doch noch unverhoffter Sendestoff für uns drin.«

    Das Brunnentor und das Jupolizeihaus sind direkt benachbarte Gebäude, aber einfach vom einen zum anderen zu gehen ist trotzdem nicht möglich, denn ihre Schwimmteller stoßen nicht aneinander. Der Fußweg zum Nachbargebäude ist ein Umweg an Sprechturm und Spielhalle vorbei. Den aber kann man sich sparen, wenn es nur darum geht, ein paar Worte zu wechseln, das nämlich kann man auch sehr gut über das schmale Stück Stadtmeer hinweg, das dazwischenliegt.
    Als die vier Freunde von ihrem Stübchen hinabgestiegen waren und auf dem Schwimmteller standen, sahen sie einige Jupolizeien schon wieder zurückkommen. Also wohl eher ein Fehlalarm, meinte Heck. Oder Übung beendet, sagte Lia. Da sahen sie drüben Pli, ihre gute Bekannte bei der Jupolizei. Sie pfiffen ihr zu, sie pfiff zurück, und kaum stand man sich an den Tellerrändern gegenüber, erfuhren sie von ihr, dass soeben das Würfelhaus überfallen und ausgeraubt worden sei.
    »Potzplotz!«, rief Rumu aus, und man hörte durch, dass ihm diese Nachricht gefiel – die Sendung übermorgen schien so gut wie gerettet.
    »Oder sagen wir: be-raubt«, berichtigte sich Pli. »Sie haben nicht alles mitgenommen. Waren wohl zu wenige oder die Zeit war zu knapp.«
    »Du sagst das Würfelhaus, Pli«, fragte Rumu, »welches denn? Doch nicht etwa …«
    »Doch doch«, bestätigte Pli, »genau das, gleich hier drüben. Würfelhaus 4.«
    Also das gleich neben dem Neuen Zentrum, zu dem auch das Brunnentor und das Jupolizeihäuschen gehören, nur eben noch von Großhäusern umringt wie alle Würfelhäuser.
    Die vier waren verblüfft. Würfelhausraub am helllichten Mittag in nächster Nähe der Jupolizei – hatte es so was jemals gegeben? Überhaupt lag der letzte Würfelhausraub schon sehr lange zurück.
    »Wie hat sich das denn abgespielt?«, fragte Rumu.
    »Ziemlich eigenartig«, antwortete Pli. »Die Direktorin war einen Moment außer Haus und …«
    »Was?«, unterbrach Abirei. »Darf die das? Darf die überhaupt ihren Platz verlassen?«
    »Normalerweise nicht«, erwiderte Pli, »aber der Batzenspender funktionierte nicht, sie war sehr hungrig und es war grade sonst niemand da, und da hat sie gedacht, in den zwei Minuten, die sie braucht, um sich ein paar Batzen zu holen, wird schon nichts passieren.«
    Tatsächlich ist die nächste Batzenbude nur ein paar Schritte entfernt von Würfelhaus 4, sie ist gleich das erste Häuschen außerhalb des Großhäuserrings, es konnten also wirklich nur ein paar Augenblicke gewesen sein, die die Würfelhausdirektorin abwesend gewesen war. Und genau in dieser kurzen Zeit hatten die Räuber zugeschlagen.
    »Was für ein merkwürdiger Zufall aber auch«, staunte Rumu.
    »Ein Zufall war das nicht«, sagte Pli. Der Batzenspender müsse manipuliert worden sein. Von wem? Von den Tätern natürlich. Unklar freilich sei, wann. Aber auf jeden Fall zwischen seiner letzten Benutzung und dem heutigen Benutzungsversuch. Das letzte Mal nämlich, sage die Direktorin, habe er noch tadellos funktioniert.

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