Band II

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JOVIANER:
Grundcharakter

Aber wie sind sie denn eigentlich, die Jovianer im großen Ganzen, wie sind sie drauf, wie ticken sie? Sind sie gut- oder bösartig, streitsüchtig oder friedfertig, eher ernst oder lustig? Sind sie geradlinig oder hinterlistig, ängstlich oder draufgängerisch, fleißig oder faul? Wie ist das Verhältnis des Einzelnen zur Gemeinschaft – empfinden sie sich als eng zusammengehörig oder würde jeder am liebsten allein seines Wegs gehen, wenn er nur könnte?

Wenn wir versuchen, all das zu ergründen, dürfen wir zwei Dinge nie aus den Augen verlieren:
Erstens, der Jovianer ist quasi von Natur aus einer ganzen Reihe von Strömungen und Gegenströmungen ausgesetzt, die für einen „Charakter“ gar nicht viel Platz lassen. Alle Jovianer fallen von Trieb- in Knirschphasen[1] und dann wieder umgekehrt, ob sie wollen oder nicht. In unregelmäßigen, nicht vorhersehbaren Zeitabschnitten, aber immer alle miteinander. Keiner kann sich diesem Wechsel entziehen. In einer Triebphase sind sie alle wohlgelaunt und voll der Schaffenskraft, in einer Knirschphase dann wie umgedreht, also niedergeschlagen und lustlos. Sie verhalten sich zwar nicht alle gleich, aber der Phasendruck macht vor keinem Halt und wirkt sich auf sämtliche individuellen Eigenschaften aus.
Zweitens, das Bewusstsein des Jovianers ist anders strukturiert als unseres. Inwieweit wir die Oberhoheit über unsere Psyche haben, lassen wir mal dahingestellt – sicher ist aber, dass der Jovi auch diesbezüglich von jähen Veränderungen heimgesucht wird. Er hat vier Gedächtnisformen[2], und sein Dramengedächtnis[3], das mit Abstand stärkste davon, bemächtigt sich nicht selten der ganzen Persönlichkeit. Zum einen lähmt es von Zeit zu Zeit – wenn auch meist nur sehr kurz – das gesamte Ich des Jovianers (bzw. der Jovianerin; alles hier Beschriebene bezieht sich, sofern nicht anders angegeben, auf beide Geschlechter). Er steht dann nur noch da wie angewurzelt, weiß nicht mehr, was um ihn her geschieht, während in seinem Inneren irgendeine Verarbeitung stattfindet, wahrscheinlich ähnlich wie bei uns in nächtlichen Träumen. Dies nennt man Dramengedächtnisausschüttung, und eine solche kann sich auch zu einer Bewusstseinsüberspülung auswachsen, so dass es nicht mal mehr zum angewurzelten Dastehen reicht, und der Betroffene fällt auf der Stelle um in eine Bewusstlosigkeit.
Darüber hinaus ist beim Versuch, einen Grundcharakter herauszuschälen, auch noch zu berücksichtigen, dass der Jovianer nicht immer „er(/sie) selber“ ist. Ein alltägliches Phänomen der Jovianerwelt ist nämlich der „Rappel[4]“. Das ist ein abrupter Stimmungswechsel, allermeistens ganz harmlos, nicht sehr heftig und nicht lange anhaltend. Aber immerhin, es kann auch vorkommen, dass es nicht beim üblichen Rappel bleibt, sondern ein „Überrappel“ von einem Jovianer Besitz ergreift, und das heißt nichts anderes als dass er überschnappt. Nicht selten für den Rest seines Lebens. Mindestens aber für eine ganze Reihe von Jupjahren[5] während ein normaler Rappel nur einige Stunden bis zu wenigen Tagen andauert.

Das sind sozusagen die Rahmenbedingungen, in die sich der Charakter des Jovianers einfügen muss. Und da ist es nicht verwunderlich, dass ihm ein Zustand der Ruhe am liebsten ist. Im Prinzip.
Und ein Zustand der Ruhe bedeutet für ihn zunächst einmal Untätigkeit bzw. behäbiger Batzen[6]-Verzehr und müßiges Kommel[7]-Gucken.
So gesehen sind die Jovianer im Grunde gemütliche und friedliche Leute. Die hektische Betriebsamkeit, die sie in Triebphasen an den Tag legen, sollte hierüber nicht hinwegtäuschen.
Aber als Dauerzustand wäre das süße Nichtstun für den Jovi auch nicht erträglich. Getriebener, der er durch seine naturgegebenen Schwankungen ist, drängt es ihn dann auch wieder zu einer Tätigkeit. Und dieser kleine Drang, dieses „ich sollte auch mal wieder etwas tun“ anstelle einer Fortsetzung des Müßiggangs – die er sich leisten könnte! – ist es letztlich, was das Räderwerk der jovianischen Zivilisation am Laufen hält. Auch über die Knirschphasen hinweg, in denen die Jovianer einander nach Kräften meiden und hauptsächlich matt und antriebslos herumhängen. Auch wenn ihm die Tatenlosigkeit am liebsten ist: Der Jovianer ist also alles andere als ein Faulenzer.

Seine Ruhe findet er in der Regel allein oder in kleinstem Kreis. Aber er kann auch gesellig sein. Wenn sich Leute zusammenfinden ist er gern dabei, und der Umgang miteinander ist freundlich und herzlich. Zumal solche Anlässe nur in Triebphasen stattfinden; in Knirschphasen gibt es dergleichen nicht.

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[1] ^ Trieb- und Knirschphasen: Die kollektiven Stimmungsschwankungen der Jovianer.
Näheres s. Artikel Trieb- und Knirschphasen hier in Band II.

[2] ^ Zu den Gedächtnisformen des Jovianers s. Seite Gedächtnisformen im Artikel Seele und Verstand hier in Band II.

[3] ^ Das Dramengedächtnis ist der nicht-vergessliche Teil des Jovianer-Hirns. Gespeichert werden aber nur dramaturgisch aufbereitete Ereignisse, Erzählungen usw. Näheres hierzu s. Seite Gedächtnisformen in Artikel Seele und Verstand hier in Band II.

[4] ^ Ein Rappel ist in seiner mildesten Form ein vorübergehender Stimmungswandel, ein „großer Rappel“ geht allerdings bereits mit Halluzinationen o. dgl. einher. Seine ausgeprägteste Form, der Überrappel, ist eine anhaltende, oft lebenslange Persönlichkeitsveränderung.
Näheres s. Seite Rappel und Überrappel in Artikel Seele und Verstand hier in Band II.

[5] ^ Jupjahr nennen wir das Jahr nach jovianischer Zeitrechnung. Ein Jupjahr entspricht dem Zeitraum nach 41,3 Erdentagen. Näheres s. Artikel Zeit- und andere Rechnungen in Band III.

[6] ^ Batzen sind die Hauptspeise der Jovianer; s. Artikel Lebensmittelversorgung in Band I sowie Ernährung hier in Band II.

[7] ^ Ein Kommel ist sowas wie unser Computer oder Fernseher oder beides, mit noch ein paar weiteren Funktionen, aber ohne Speicher.
Näheres s. Artikel Kommeltechnik in Band III.